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dpa-Faktencheck

Aids ist unter Flüchtlingen viel geringer verbreitet

Berlin (ots)

In mehreren Blogs und Social-Media-Posts heißt es, unter Flüchtlingen sei die Aids-Rate extrem hoch. Ein libyscher Behördenchef behauptet, 40 Prozent von ihnen hätten Aids. Die Überschrift bei «anonymousnews.ru» suggeriert mit ihrer Formulierung, dass sich diese Zahl aus Libyen in irgendeiner Weise verallgemeinern lässt: «Behörden-Chef bestätigt: Fast 40 Prozent der «Flüchtlinge» haben AIDS».

BEWERTUNG: Für diese Behauptung gibt es keinerlei Beleg.

FAKTEN: Ursprung der Aussage ist ein Artikel auf der libyschen Nachrichten-Webseite Alwasat. In dem Text kommt der Leiter der Einheit zur Bekämpfung illegaler Migration in Kufra im Südosten Libyens zu Wort. Ihm zufolge hat die Hilfsorganisation Roter Halbmond 1050 Migranten untersucht, von denen 400 mit HIV und Hepatitis infiziert gewesen seien. Man habe sie abgeschoben, teilt der Behördenchef mit. (http://dpaq.de/RtTCl)

Schon die Gleichsetzung von HIV und Aids ist falsch. HIV ist der Krankheitserreger, Aids das Vollbild der entsprechenden Krankheit. Wer mit HIV infiziert ist, erkrankt normalerweise erst nach einigen Jahren an Aids - sofern er keine Therapie bekommt.

Darüber hinaus beziehen sich diese Angaben auf eine einzige Untersuchung des Roten Halbmonds in Libyen. Unklar ist, ob der Behördenchef die Zahlen überhaupt korrekt wiedergibt. Der Rote Halbmond in Kufra, der die Untersuchung angestellt haben soll, war für Nachfragen nicht zu erreichen.

Die Deutsche Presse-Agentur hat aber die Einheit zur Bekämpfung illegaler Migration in der libyschen Hauptstadt Tripolis erreicht. Ihr Pressesprecher, Husni Abu Ijana, erklärte: «Die in dem Artikel erwähnten Zahlen sind sehr übertrieben.» Er verwies auf regelmäßige medizinische Untersuchungen, denen Migranten in Tripolis unterzogen würden. Demnach leidet nur ein geringfügiger Anteil der Flüchtlinge an gefährlichen Erkrankungen.

Wie weit nun HIV-Infektionen unter Flüchtlingen in Deutschland verbreitet ist, lässt sich zwar nicht genau ermitteln. Man kann es aber sehr grob abschätzen. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts stieg die Zahl der HIV-Erstdiagnosen von 2011 bis 2015 an und sank dann wieder. Das Institut schätzt, dass Ende 2017 etwa 86 000 Menschen mit HIV-Diagnose in Deutschland lebten, davon etwa 7200, die aus afrikanischen Ländern stammen. (http://dpaq.de/dTzdg, http://dpaq.de/hWaqP)

In einigen Ländern Subsahara-Afrikas ist das HI-Virus zwar deutlich weiter verbreitet als im Rest der Welt. Menschen aus dieser Region machen aber nur einen kleinen Teil der Asylsuchenden in Deutschland aus. (http://dpaq.de/50G0k)

In Syrien, Afghanistan und im Irak, den Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge in Deutschland, ist die HIV-Infektionsrate zum Teil deutlich niedriger als in Deutschland.

Dass Flüchtlinge in Deutschland in hohem Maße an HIV infiziert oder gar an Aids erkrankt seien, ist also weder belegt noch in irgendeiner Weise wahrscheinlich.

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Links:

   - Post von anonymousnews.ru: http://dpaq.de/QttVf
   - Informationen von Internisten zu HIV/Aids: http://dpaq.de/VNHU1
   - Informationen des RKI zu HIV/Aids: http://dpaq.de/hWaqP
   - Interview auf Al Wasat (arabisch): http://dpaq.de/RtTCl
   - HIV-Rate in Afghanistan: http://dpaq.de/11n0k
   - HIV-Rate in Syrien, UNDP-Angaben: http://dpaq.de/qSY4m
   - HIV-Rate im Irak: http://dpaq.de/BT2HQ
   - Risiko der HIV-Übertragung, Angaben eines RKI-Mediziners: 
     http://dpaq.de/l99V5
   - Nachricht von Agenzia Nova: http://dpaq.de/eFWL7
   - WHO-Dokument zur Gesundheit von Flüchtlingen: 
     http://dpaq.de/jyufx
   - HIV-Jahresbericht 2015 des RKI: http://dpaq.de/Fz5SS
   - Nature-Studie zu HIV in Subsahara-Afrika: http://dpaq.de/8DEWi
   - Statistisches Bundesamt zu Herkunftsregionen: 
     http://dpaq.de/50G0k
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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

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