Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
IStGH-Urteil über ugandischen Rebellenführer (4.2.): Sexualisierte Gewalt in beispiellosem Umfang
Urteil über ugandischen Rebellenführer (4.2.):
- IStGH entscheidet über LRA-Befehlshaber Dominic Ongwen
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in 70 Fällen
- Sexualisierte Gewalt in beispiellosem Umfang
Am kommenden Donnerstag, den 4. Februar, will der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag im Verfahren gegen Dominic Ongwen sein Urteil sprechen. Dem ranghohen Befehlshaber der ugandischen Rebellenmiliz Lord’s Resistance Army (LRA) werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in 70 Fällen vorgeworfen, die er ab dem Jahr 2002 im Norden Ugandas begangen haben soll. „Ongwen wird sexualisierte Gewalt in einem Umfang vorgeworfen, der vor dem IStGH bisher beispiellos ist“, erklärt Lina Stotz, Referentin für Minderheiten und Nationalitäten bei der Gesellschaft für bedrohte Völker. „Sexualisierte Gewalt war ein Dreh- und Angelpunkt der Strategie der LRA: Mädchen und auch Jungen wurden gefügig gemacht, indem sie zum Ansehen und zum Durchführen von sexuellen Akten gezwungen und sexuell versklavt wurden.“ Dass aus dieser Praxis zudem hunderte von Kindern entstanden, habe der Prozess in Den Haag vollkommen unzulänglich beleuchtet, kritisiert sie.
„Diese Kinder werden aufgrund der patrilinearen Strukturen in Norduganda vor allem als Nachkömmlinge der Kämpfer angesehen. Darum symbolisieren sie für viele Leid und Zerstörung. Sie sind in der Regel schwer stigmatisiert, sozial ausgegrenzt und rechtlich benachteiligt, zum Beispiel im Erbrecht“, so Stotz. „Wir erwarten, dass Dominic Ongwen zur Höchststrafe verurteilt wird. Seine Vergangenheit als ehemaliger Kindersoldat sollte keine Strafmilderung bringen: Ein Mann von seinem Rang hätte sich vielen Taten entziehen können, vor allem Akten der sexualisierten Gewalt. Dies hat er aber nicht getan.“
Zugleich fordert die Menschenrechtsorganisation, dass die Aufarbeitung des Konflikts nicht mit diesem Prozess endet. „In Uganda selbst braucht es dringend weitere Aufarbeitung. Die Regierung sollte endlich eine Wahrheitsfindungskommission einrichten. Diese sollte besonders auch auf die jüngsten Opfer dieses Konflikts achten: die Kinder, die in Vergewaltigungen gezeugt wurden. Diese und alle anderen Opfer müssen dringend Entschädigungen erhalten“, fordert Stotz.
Auch erhofft sich die Menschenrechtlerin, dass in Vergewaltigung gezeugte Kinder in dem Urteil zumindest erwähnt würden, obwohl sie nicht als Opfer anerkannt sind. Durch Vergewaltigung im Kriegskontext gezeugte Kinder gibt es auf der ganzen Welt. Besonders wenn Konflikte entlang ethnischer oder religiöser Linien ausgefochten werden, leiden diese Kinder unter Stigma und Diskriminierung.
Bis zu 66.000 Mädchen und Jungen wurden von den Rebellen der LRA entführt und oft über Jahre zu Kampfhandlungen und zur Heirat mit Kämpfern gezwungen. Ongwen selbst wurde als Kind von den Rebellen entführt und stieg rasch in den Rängen der Miliz auf. Er hatte mehrere „Ehefrauen“ und zeugte mehrere Kinder. Die LRA gab vor, mit ihrer Gewaltherrschaft in den Jahren 1987 bis 2006 eine spirituelle Mission zu verfolgen: Sie hätten die Acholi, eine ethnische Gruppe im Norden Ugandas, „reinigen“ wollen.
Sie erreichen Lina Stotz unter l.stotz@gfbv.de oder 0551/49906-19.
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