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Börsen-Zeitung: Überfällige Atempause, ein Marktkommentar von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Mit einer gewissen Erleichterung dürften manche Experten das derzeitige Treiben am Aktienmarkt verfolgen. Denn die rasante und zudem bereits von einem deutlich gestiegenen Niveau aus gestartete Hausse des Dax seit dem Jahresbeginn hat den einen oder anderen Strategen bereits an der Aussagekraft seiner fundamentalen Werkzeuge zweifeln lassen. Nun aber ist sie endlich da, die schon seit geraumer Zeit prognostizierte Konsolidierung des Index. Nach einem Verlust in der vorangegangenen Woche von 5,6% auf 11.689 hat das deutsche Standardwertebarometer in der gerade abgelaufenen Woche mit einem Plus von 1,1% auf 11.811 Punkte auf der Stelle getreten.

Es ist eine überfällige Atempause des Marktes, und auch eine willkommene. Schließlich drohte er sich immer weiter von der fundamentalen Realität abzukoppeln. Zwar gehört es zum Geschäft, dass die Kurse gelegentlich deutlicher steigen - oder auch fallen -, als aufgrund fundamentaler Fakten angesagt zu sein scheint. Genauso richtig ist aber auch, dass mit jedem weiteren Hunderter im Index die Gefahr empfindlicher Rückschläge gestiegen wäre. Deutlich zeigt sich dies unter anderem in dem sehr hohen Abstand des Index zu seiner 200-Tage-Linie, auf den der Chefanlagestratege der Bethmann Bank im Interview in dieser Ausgabe hinweist.

Zwei Treiber verloren

Neben Gewinnmitnahmen kann die Atempause aber durchaus zum Teil auch fundamental erklärt werden. Zwei Treiber der Hausse des Dax waren der Verfall der Ölpreise und insbesondere der Marsch des Euro-Dollar-Wechselkurses Richtung Parität. Nicht von ungefähr gehörten etwa die Automobilherstelleraktien zu den großen Rasern der Rally. Seit Mitte Januar zeigen die Ölpreise jedoch mit einem Gewinn von bis zu 45% (Brent) eine der stärksten Erholungsbewegungen ihrer Geschichte, und die Talfahrt des Euro ist stehen geblieben. Wenig überraschend haben sich die Aktien des Automobilsektors zuletzt spürbar von ihren Höchstständen wieder entfernt. Die Rally hat zumindest vorläufig zwei ihrer Treiber verloren.

Die Atempause ist noch auf eine andere Weise willkommen. Auch viele Investoren, die an der Rally nicht oder unzureichend teilgenommen haben und damit unter Performance-Druck geraten sind, haben sehnlichst auf eine Korrektur bzw. Einstiegsgelegenheiten auf niedrigerem Niveau gewartet. Auf den fahrenden Zug noch aufzuspringen, fiel ihnen zuletzt immer schwerer, weil sie befürchteten, am Top einzusteigen.

Wann bzw. auf welchem Niveau sie Engagements am Aktienmarkt eingehen bzw. aufstocken werden, ist schwer zu prognostizieren. Ihr Anlagebedarf spricht aber dafür, dass das Abwärtspotenzial des Dax derzeit eher begrenzt sein dürfte und auch noch die Chance besteht, dass der Index noch weitere Höchststände erklimmt. Denn es mangelt schlichtweg an Alternativen. Investoren werden wahrscheinlich demnächst auch bei zehnjährigen Bundesanleihen das zweifelhafte Vergnügen haben, dem deutschen Staat einen kleinen Obolus dafür zu entrichten, dass sie ihm Geld leihen. Aber auch bei den an zwei Händen abzählbaren Basispunkten, die sie derzeit noch als Kuponrendite abwerfen, sind die vermeintlich sicheren Papiere nicht gerade attraktiv.

Notenbanken bleiben locker

Zudem bleibt - und das wiegt schwerer als die wahrscheinlich vorübergehenden Gegenbewegungen von Öl und Euro - mit der ultralockeren Geldpolitik bis auf Weiteres der entscheidende Impuls, der die Aktienmärkte seit Jahren treibt, erhalten. Die Europäische Zentralbank hat gerade erst ihre quantitative Lockerung, d.h. die Anleihekäufe in Höhe von monatlich 60 Mrd. Euro, gestartet. In Japan stehen die Währungshüter weiter stramm auf dem Gaspedal.

Mehr noch: In den Vereinigten Staaten scheint sich die erste Erhöhung der Fed Funds Rate zu verzögern, weil die Konjunktur nicht mehr ganz so rund zu laufen scheint, unter anderem weil der deutlich gestiegene Außenwert des Dollar seinen Tribut fordert. Und in China, das aufgrund der Anbindung des Yuan an die amerikanische Währung bislang gemeinsam mit den USA die Lasten der monetären Lockerungsorgie, d.h. des weltweiten Abwertungswettlaufs, trägt, haben die Behörden Maßnahmen ergriffen, um der empfindlichen Wachstumsabkühlung Herr zu werden. Experten gehen davon aus, dass dies, darunter zuletzt die überraschend deutliche Senkung des Mindestreservesatzes um 100 Basispunkte, erst der Anfang einer ganzen Serie von Maßnahmen zu Stützung bzw. Ankurbelung des Wachstums war.

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