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WAZ: Volksabstimmungen stürzen EU in die Krise: In der Sackgasse - Leitartikel von Tobias Blasius

Essen (ots)

Die Europäische Union zeichnete sich bislang durch
eine große Krisenfestigkeit aus. Auf dem jahrzehntelangen Weg zur
kontinentalen Einigung gelang es der Staatengemeinschaft immer
wieder, selbst aus schweren Rückschlägen neue Kraft zu ziehen.
Diesmal jedoch muss man sich ernste Sorgen machen. Die EU wirkt nach
dem Verfassungsdebakel in Frankreich und den Niederlanden so kopflos
wie selten zuvor. Niemand ist in Sichtweite, der Europa Anlass zur
Hoffnung gäbe. Niemand, der zündende Ideen entwickelte. Welches
Signal soll man an die frustrierten Bürger senden? Wo ist der Weg aus
der institutionellen Sackgasse? Die Staats- und Regierungschefs
können ihre Ratlosigkeit kaum verbergen. Das Machtgefüge der EU wirkt
ausgerechnet in diesen kritischen Tagen äußerst labil. Die
deutsch-französische Achse ist nicht mehr sonderlich belastbar.
Sowohl Bundeskanzler Gerhard Schröder als auch Staatspräsident
Jacques Chirac sind innenpolitisch arg angeschlagen. Sie fallen als
Brüsseler Impulsgeber aus. Von Großbritanniens Premier Tony Blair,
der ab Herbst in der Rolle des EU-Ratspräsidenten sechs Monate lang
die Geschicke der Staatengemeinschaft lenken muss, darf man auch
nichts Richtungsweisendes mehr erwarten. Die EU-Kommission füllt die
Aufgabe als „Geschäftsführerin” Europas allzu technokratisch aus. Ihr
Präsident José Manuel Barroso ist bislang nicht als zupackender
Diplomat in Erscheinung getreten. Und ein traditionell
europafreundlicher EU-Gründungsstaat wie die Niederlande kann nun
auch nicht mehr als Stabilisator dienen. Einen kleinen
Hoffnungsschimmer gibt es aber selbst in dieser Düsternis: Die 25
EU-Staaten könnten sich erstmals vorbehaltlos dem europäischen
Gemeinsinn verschreiben und auf nationale Ego-Trips verzichten. Der
Brüsseler Krisengipfel in zwei Wochen wird es zeigen müssen.

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