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WAZ: Kommentar von Jürgen Frech: Stärken pflegen, Schwächen kurieren

Essen (ots)

Gelsenkirchen in wirtschaftlicher Hinsicht als
Gewinner der Fußball- WM? Ein neuer Nahverkehr, der Busse und Bahnen
im Ruhrgebiet flüssiger fahren lässt? Aufbruchstimmung durch und
durch?
An der Ruhr ist eine Menge im Gange. Viel mehr, als mancher von
uns selbst wahrnimmt und unendlich viel mehr als aus der Ferne
sichtbar ist. Allein die milliardenschweren Kraftwerksprojekte machen
deutlich, wie attraktiv diese Region für die Investoren ist und
wieviel Kompetenz ihr zugewiesen wird. Der Zug hat also Tempo
aufgenommen. Nur: Schnell genug fährt er leider längst noch nicht.
Vor wenigen Jahren ermittelte das RWI (und eckte damit bei der
rot- grünen Landesregierung an), dass die Kennziffern in NRW viel
besser aussähen, wenn man das Ruhrgebiet ausklammert. Das hat sich
geändert - durch verstärkte Dienstleistungs-Orientierung und eine
wachsende Bedeutung des Mittelstands. Dies ist bitter nötig
angesichts der anhaltenden Erosion der Großunternehmen. Opel streicht
in Bochum 4000 Stellen, Karstadt blutet ebenfalls. Um so etwas zu
kompensieren, sind rund tausend Existenzgründungen erforderlich. Und
wenn es dann nur Hunderte werden (was toll wäre), bleibt halt doch
ein Minus.
Hinzu kommt die Geißel des technischen Fortschritts. Selbst
Großinvestitionen bringen oft kaum neue Arbeitsplätze, wenn
überhaupt. So investiert Thyssen-Krupp 700 Millionen Euro im
Ruhrgebiet, die Zahl der Stahlarbeiter geht jedoch weiter zurück. BP
betreibt in Gelsenkirchen eine der modernsten Raffinerien der Welt,
aber zusätzliche Beschäftigung entsteht nicht. Traditionsnamen wie
Veba, Stinnes, Raab Karcher oder Mannesmann sind gegangen, doch viele
der alten Strukturen haben überlebt und harren noch der potenten
Nachfolger. Auch in der Kultur sind dicke Bretter zu bohren. Mit der
Essener Philharmonie oder dem Dortmunder Konzerthaus sind Leuchttürme
entstanden, die aber wirtschaftlich die Erwartungen noch nicht
erfüllt haben.
Es sind gute Wege, die das Ruhrgebiet einschlägt, aber sie sind
weit und hart. Wenn es dann den großen Knall, mit dem alles besser
wird, nicht gibt, so muss die Kärrnerarbeit der kleinen Schritte
weitergehen. Mit Beharrlichkeit und Selbstkritik, um sich stets neu
anzuspornen. Duisburg darf nicht nur auf den erfolgreichen Hafen
schauen, sondern muss auch Problemstadtteile wie Marxloh im Auge
haben. Für Dortmund zählen nicht nur Phoenix-See und
Technologiezentrum, sondern auch die bisher schleppende Neuansiedlung
auf dem Gelände der früheren Briten-Kasernen.
Stärken pflegen, Schwächen kurieren: Und der größte Feind ist
Selbstzufriedenheit. Wer nicht ganz nach vorn will, schafft es auch
nicht bis ins obere Mittelfeld. Nicht mehr Bremsklotz zu sein, ist
für das Revier schön. Also gehen wir aufs Gaspedal. Das ist ja von
der Bremse nicht weit entfernt.

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