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Mittelbayerische Zeitung: Trumps furioser Fehlstart
Der neue US-Präsident startete mit Getöse. Erreicht hat er wenig - nur schlimmste Befürchtungen bestätigt. Leitartikel von Thomas Spang

Regensburg (ots)

Am Vorabend von Donald Trumps erster "Rede zur Lage der Nation" tauchte George W. Bush aus der selbstgewählten Klausur auf, um dem Amtsinhaber eine Nachhilfestunde in Sachen Demokratie zu erteilen. Journalisten seien keine "Volksfeinde", sondern unverzichtbar, "um Leute wie mich zur Rechenschaft zu ziehen", erklärte Bush dem Präsidenten, der seit Amtsantritt im Weißen Haus einen bizarren "Krieg gegen die Medien" führt. Bush fühlte sich außerdem bemüßigt, Trump daran zu erinnern, dass Einreisestopp und Massendeportationen im klaren Gegensatz zu den Grundwerten der Nationen stünden. Wenn es eines klaren Symbols bedurfte, zu illustrieren, wie wenig "normal" die ersten Wochen des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten verliefen, dann lieferte das Wiederauftauchen des mit Schimpf und Schande aus dem Weißen Haus geschiedenen Vorvorgängers ein solches. Trump hält das konservative und liberale Amerika gleichermaßen in Atem, weil er dessen Werte mit Füßen tritt. Von der Unterminierung der Pressefreiheit über die Intoleranz gegenüber einer Weltreligion und die Blaupause zur Massendeportation bis hin zu der Militarisierung der Außenpolitik schaffte der "America-First"-Präsident vor allem eines: Verunsicherung. Nie zuvor war die "Lage der Nation" so irritiert wie unter dem realitätsfremden Spalter im Weißen Haus, der das Land mit unausgegorenen Exekutivbefehlen und kurzatmigen Twitter-Nachrichten in Dauerstress versetzt. Ohne dabei wirklich etwas vorweisen zu können. Nach nicht einmal einem Monat im Amt musste Trumps Nationaler Sicherheitsberater den Hut nehmen. Sein Einreisestopp für Muslime scheiterte vor Gericht und gerade entdeckte der Präsident, wie "komplex" die versprochene Abschaffung der Gesundheitsversicherung Obamas wirklich ist. Auf der Weltbühne blamierte sich der großspurige Kraftmeier nicht minder. Mexiko zahlt garantiert nicht für die Mauer, China lässt nicht mit sich herumspringen und die USA tragen den größten Schaden vom Ausstieg aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen davon. Derweil konterkarieren ihn sein Vizepräsident und Verteidigungsminister öffentlich zur Rolle der Nato und Russlands. Das Hauptproblem Trumps besteht darin, in einer Welt zu leben, die es nur in seiner Fantasie gibt. Dass ihm 120 Generäle in einem offenen Brief darlegen, warum es keinen Sinn macht, zulasten der Diplomatie massiv aufzurüsten, illustriert wie verrückt die Idee ist, 54 Milliarden Dollar mehr für das Pentagon zu fordern und das Außenministerium dafür in Stücke zu hauen. Die Begründung Trumps, dass Amerika "keine Kriege mehr gewinnt" drängt die Rückfrage auf: Welche Kriege? Aber es gibt auch Illusionen bei seinen Gegnern. Trotz der Massenproteste, wütenden Bürgerversammlungen und möglichen Ermittlungen wegen Landesverrats gibt es zurzeit kein realistisches Szenario nach dem Trump des Amtes enthoben oder nach Artikel 25 wegen Unzurechnungsfähigkeit entfernt wird. Wer genau soll das tun und wo finden sich Mehrheiten dafür? Nüchtern betrachtet handelt es sich um Wunschvorstellungen, die helfen, die schwer erträgliche Realität von vier Jahren Trump im Weißen Haus leichter zu machen. Die beste Hoffnung für Amerika und die Welt besteht in der Selbstüberschätzung des Narzissten, der sich für den größten Präsidenten aller Zeiten hält. Das macht es Trump schwer, Fehler zu korrigieren. So könnte er am Ende das Opfer seiner eigenen Inkompetenz werden. Der Tag wird kommen, an dem auch seine Anhänger erkennen, dass der Kaiser nackt ist. Die offene Frage bleibt, wie viel Schaden er bis dahin angerichtet hat.

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