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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Ukraine/Putin: Eine Kriegserklärung von Ulrich Krökel

Regensburg (ots)

Es war abzusehen, dass Wladimir Putin die Wahl eines Komikers an die ukrainische Staatsspitze nicht ungenutzt verstreichen lassen würde. Während Wolodymyr Selenskyj noch seinen Triumph feierte, unterzeichnete der Kremlchef einen Erlass über die erleichterte Vergabe russischer Pässe an die Bewohner der ostukrainischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk. Wenige Tage später erklärte Putin nun, diese Praxis auf die gesamte Ukraine ausweiten zu wollen. Diese Ankündigung ist nichts anderes als die Erklärung eines erneuerten hybriden Krieges gegen das krisengeschüttelte Nachbarland. Die planmäßige Vergabe von Pässen an Bürger anderer Staaten verstößt eklatant gegen das Völkerrecht, in dem die Personal- und die Gebietshoheit eindeutig geregelt sind. Putin ignoriert dies und stellt damit die territoriale Integrität der Ukraine in Frage. Das ist ein offen aggressiver Akt, der ohne Soldaten und Panzer auskommt. Damit keine Missverständnisse entstehen: Das Vorgehen des Kremls ist in keiner Weise vergleichbar mit der Vergabe von Pässen an Doppelstaatler oder Auswanderer. Wenn etwa eine Britin, die seit Jahren in Deutschland lebt und arbeitet, in Zeiten des Brexits einen deutschen Pass beantragt und ihn bekommt, ist das etwas anderes, als wenn die EU beginnen würde, nach dem Brexit massenhaft europäische Pässe an Briten in Großbritannien auszugeben, um damit den EU-Austritt zu konterkarieren. Genau das aber ist es, was Putin seit geraumer Zeit betreibt: Er versucht, den ukrainischen Exit aus der russischen Einflusszone zu unterlaufen. Wie weit Putin mit seiner Pass-Offensive in letzter Konsequenz zu gehen bereit ist, ist noch unklar. Als sicher gelten kann, dass er den neuen Mann in Kiew austesten will. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass er sofort Fakten schaffen will, wie er es nach der Maidan-Revolution 2014 getan hat. Es dauerte damals nur drei Wochen, bis der russische Staat die ukrainische Halbinsel militärisch erobert und annektiert hatte. Weitere sechs Wochen später war das Donezk-Becken in der Hand moskautreuer Separatisten. Bei alldem nutzt der Kreml geschickt die doppelte Lame-Duck-Situation in Kiew aus. Selenskyj wird erst in einigen Wochen vereidigt und ist bis dahin faktisch handlungsunfähig, während der abgewählte Petro Poroschenko erst einmal weiterregiert. Das Sagen in den Sicherheitsbehörden haben in dieser Übergangszeit die Gefolgsleute des alten Präsidenten, die Selenskyj schnellstmöglich rauswerfen möchte. So hat er es noch am Wahlabend angekündigt. Das ist alles andere als eine tragfähige Basis für eine reibungslose Zusammenarbeit. Weit schlimmer jedoch ist, dass der Komiker Selenskyj offensichtlich genau so überfordert mit dem höchsten Staatsamt ist, wie es seine Kritiker prophezeit haben. Seine erste Reaktion auf die Putin-Offensive zeigte dies überdeutlich. Statt seine Seriosität zu unterstreichen und auf die Einhaltung des Völkerrechts zu pochen, kündigte er an, demnächst ukrainische Pässe an russische Staatsbürger ausgeben zu lassen. Er zeigte damit, dass er das Problem nicht einmal verstanden hat. Das lässt Übles ahnen. In dieser Lage wäre es dringend geboten, dass die EU und möglichst auch die USA unmissverständliche Signale an Putin senden. Es wird sie aber kaum geben, denn die westliche Staatengemeinschaft ist in Zeiten eines irrlichternden US-Präsidenten Donald Trump und des Brexit-Wahnsinns kaum weniger unorganisiert als die ukrainische Politik. Der EU-weite Wahlkampf kommt hinzu. Bis eine neue, hoffentlich handlungsfähige EU-Kommission ihre Arbeit in Brüssel aufnehmen kann, wird noch ein halbes Jahr ins Land gehen. Putins Zeitfenster steht weit offen.

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