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Mittelbayerische Zeitung: Grüner Kanzler Habeck? Die Ökopartei segelt auf einer Welle des Erfolgs. Die schlingernde GroKo liefert dazu noch ein kostenloses Aufbauprogramm. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Eigentlich haben die Grünen keine guten Erinnerungen an Bielefeld, wo an diesem Wochenende die auf fast 100 000 Mitglieder angewachsene Partei ihren Kongress abhält. Vor 20 Jahren wurde der ehemalige Außenminister und heimliche Grünen-Chef Joschka Fischer just in Bielefeld von Parteilinken mit einem Farbbeutel attackiert, weil er die Nato-Angriffe gegen Serbien rechtfertigte. Solche Attacken hat das derzeitige und wohl auch künftige Führungs-Duo Annalena Baerbock und Robert Habeck nicht zu befürchten. Den jahrzehntelangen quälenden Streit zwischen Linken und Realos haben die Grünen weitgehend beerdigt. Nur ab und an blitzt er wieder auf. Das weichgespülte Motto des Parteitages hinter dem sich alle Grünen versammeln können, lautet dann auch: Mehr wagen, um nicht alles zu riskieren. Statt Fundamentalkritik am Kapitalismus, haben sich die einstigen Ökopaxe mit der Marktwirtschaft und dem Geist von Ludwig Erhard versöhnt. Statt auf Revolution setzen sie auf Reformen im bestehenden Wirtschafts- und Demokratiesystem. Eher unspektakulär und pragmatisch ist die Politik der Grünen, die sie in zahlreichen Landesregierungen ausüben. Selbst in Bayern hätte es fast eine schwarz-grüne Koalition gegeben, wenn die CSU nicht den pflegeleichteren Partner von den Freien Wählern bevorzugt hätte. Selbst Markus Söder gibt sich gern Habeck-mäßig ohne Krawatte und mit Dreitagebart, was vor nicht all zu langer Zeit undenkbar gewesen wäre. Im Bund schließlich hätten die Grünen in einer - sicher spannenden - Jamaika-Koalition mitregieren können, wenn nicht die Lindner-FDP im letzten Moment Fracksausen bekommen hätte. Wie auch immer segeln die Grünen auf einer Welle des Erfolgs. Und dieser Zuspruch speist sich vor allem aus zwei Quellen: Einerseits wächst der Frust über die Berliner GroKo beinahe täglich. Die Grünen profitieren von dem damit verbundenen Niedergang der einstigen Volksparteien SPD und, mit Abstrichen, auch der CDU. Andererseits waren sie von Anfang an eine Partei, die den Schutz der Umwelt, des Klimas, die Abkehr von der Kernkraft, nachhaltiges Wirtschaften und ökologische Landwirtschaft ganz oben auf die Agenda setzte. Als in Deutschland noch neue Kohlekraftwerke genehmigt wurden, stritten die Grünen schon für Windkraft, Photovoltaik, Elektromobilität oder LED-Leuchten. Das schafft heute, bis weit in bürgerliche Wählerkreise hinein, Vertrauen und Hoffnungen in die einst als "spinnert" betrachtete Ökopartei. Allerdings wachsen auch die Bäume der Grünen nicht in den Himmel. Drei Landtagswahlen im Osten haben den Höhenflug gebremst. In ländlichen Regionen ist die Partei weiterhin schwach. Ihr Milieus sind großstädtisch geprägt. Grünen-Chef Robert Habeck hat am Freitag klar den Willen zum Regieren auf Bundesebene artikuliert. Man darbt schon viel zu lange in der Opposition. Die schlingernde GroKo liefert dazu noch ein kostenloses Aufbau-Programm für die Grünen. Dennoch darf der Parteitag nicht den Fehler machen und den begnadeten Redner und Schwiegermutter-Liebling Habeck großspurig zum Kanzlerkandidaten küren. Personenkult war den Grünen schon immer suspekt, nach Joschka Fischer erst recht. Und der geschmeidige Realo Habeck selbst wird wohl keinen Keil zwischen sich und seine Grünen-Partnerin Baerbock treiben lassen. Und sollte wirklich die Bundestagswahl gewonnen werden, wäre die K-Frage das kleinste Problem der Grünen.

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