Deutschland im Plus - Die Stiftung für private Überschuldungsprävention
iff-Überschuldungsreport 2010 zeigt Auswirkungen der Finanzkrise (mit Bild)
Hamburg (ots)
Das Hamburger institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) legt heute - unterstützt von der Stiftung "Deutschland im Plus" - bereits zum vierten Mal den Überschuldungsreport vor. Das Kernergebnis: Die Auswirkungen der Finanzkrise (Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit) sind 2010 in den Haushaltskassen spürbar angekommen. Arbeitslosigkeit und gescheiterte Selbstständigkeit waren in mehr als 40 Prozent der Fälle die Auslöser für gravierende finanzielle Schieflagen in Privathaushalten. Verglichen mit dem Vorjahr verzeichnen die vorgenannten Ursachen bereits im vierten Quartal 2009 einen relativen Anstieg von bis zu 10 Prozent. Damit wird deutlich, dass Überschuldung zeitversetzt konjunkturelle Schwankungen abbildet. Die Überschuldungsquote könnte frühestens Mitte 2011 wieder zurückgehen, so sich der aktuell positive Trend auf dem Arbeitsmarkt fortsetzt. Eine wirksame Arbeitsmarktpolitik ist damit auch gleichzeitig Überschuldungsprävention.
Auch in Zeiten guter Konjunktur sind alleinlebende Erwachsene, insbesondere Alleinerziehende stark gefährdet, in die Überschuldung zu geraten. Auch bei Familien mit minderjährigen Kindern wirken sich finanzielle Einbußen durch einen Jobverlust besonders kritisch aus und lassen sich Engpässe besonders schlecht überwinden. Ein im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überproportional großer Teil der Überschuldeten ist mit einem Pro-Kopf-Einkommen von durchschnittlich 836 Euro als arm zu bezeichnen und hat damit keinen Spielraum, kurzfristige Liquiditätsengpässe abzufedern.
Finanzielle Bildung als Präventivmaßnahme muss ausgebaut werden
Initiiert und finanziert wird der Report von der Stiftung "Deutschland im Plus", die sich für Überschuldungsprävention engagiert. Schwerpunkt der Stiftungsarbeit sind neben Forschung und Schuldnerhilfe Aktivitäten zur Finanziellen Grundbildung. Stiftungsvorstand Michael-Burkhard Piorkowsky, Professor für Haushalts- und Konsumökonomik an der Uni Bonn, betont die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen: "Die Initiativen zur finanziellen Bildung schon im Schulalter müssen schnellstmöglich systematisch ausgebaut und evaluiert werden. Nur ein aufgeklärter Verbraucher kann die Vielzahl an Angeboten, sowohl was den Konsum, als auch dessen Finanzierung betrifft, bewerten. Das beginnt schon bei der Auswahl des passenden Handytarifs", so der Forscher.
Kuratoriumsvorsitzender Theophil Graband sieht in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender von easyCredit das gesellschaftliche Engagement seiner Bank bei 'Deutschland im Plus' richtig eingesetzt: "Wir schaffen den volkswirtschaftlich sinnvollen Zugang zum Kredit. Der Umgang damit liegt dann in der Hand des Kunden. Die Stiftung nimmt mit ihrem Angebot den Verbraucher an die Hand und vermittelt ihm das Wissen für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Kredit." Graband will deshalb noch in diesem Jahr vier Millionen Euro für finanzielle Bildung ausgeben. Die Hälfte davon soll als Zustiftung das Kapital von "Deutschland im Plus" erhöhen, die anderen zwei Millionen wird easyCredit über die Volksbanken Raiffeisenbanken für regionale Projekte zur finanziellen Bildung zur Verfügung stellen.
Wie im Vorjahr beinhaltet der Überschuldungsreport auch eine Analyse zu typischen Phasen des Überschuldungsprozesses, Verhaltensmustern und Dauer des Prozesses. Mit volkswirtschaftlich dramatischem Ergebnis: Durchschnittlich 14 Jahre vergehen vom ersten Überschuldungsauslöser bis zur vollständigen wirtschaftlichen Rehabilitation der Betroffenen. Teilweise sind noch erheblich längere Verweildauern in Überschuldung zu beobachten. Davon entfallen sechs Jahre im Insolvenzverfahren auf die Wohlverhaltensphase, die im europäischen Vergleich viel zu lange dauert. Der iff-Überschuldungsreport bestätigt die Notwendigkeit der Gesetzesinitiative des Bundesjustizministeriums, das Verbraucherinsolvenzverfahren auf 3 Jahre zu verkürzen. Die angekündigte Verfahrensverkürzung bedeutet auch eine Angleichung an den Standard in anderen europäischen Staaten.
Betroffene sollten rechtzeitig Hilfe suchen
Weiteres Ergebnis der Sonderauswertung: Ein großer Teil der Betroffenen zögert zu lange, bis professioneller Rat bei einer Schuldnerberatungsstelle eingeholt wird. Viele warten, bis sich die Situation nach außen manifestiert hat: Bei 18 Prozent der Überschuldeten kommt es zur Kündigung des Girokontos. Demgegenüber sparen sich diejenigen, die frühzeitig Rat suchen, durchschnittlich drei unproduktive und belastende Jahre in der Überschuldung. Eine Enttabuisierung des Themas könnte hier hilfreich sein und die hohe psychologische Belastung reduzieren.
Schuldenstruktur zeigt Altersunterschiede
Wie auch im Vorjahr betragen die Schulden eines überschuldeten Haushaltes im Mittel über 33.000 Euro, zahlbar an durchschnittlich 13 Gläubiger. Bei 3 Mio. überschuldeten Haushalten ergeben sich Gesamtschulden in Höhe von 110 Mrd. Euro. Je nach Alter der Schuldner gibt es deutliche Unterschiede. Aufgrund der nur geringen Bonität haben junge Leute eher geringere Schulden, da ihnen keine hohen Kredite eingeräumt werden - sie sind allerdings mit deutlich mehr Forderungen im Zahlungsrückstand als ältere Haushalte (15 vs. 8 Forderungen). Damit steigt die Gefahr, den Überblick über die Gesamtverbindlichkeiten zu verlieren. Die höchsten Schulden finden sich mit durchschnittlich 55.500 Euro hingegen in der Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen. Bei Banken haben Überschuldete durchschnittlich 17.800 Euro Schulden. Die Kredithöhe ist damit im Vergleich zur Vorjahresstichprobe leicht (minus 3,5 Prozent) rückläufig.
Mehr als jeder zweite überschuldete Haushalt (69 Prozent) hat Schulden bei der öffentlichen Hand; auf alle gerechnet beträgt der Rückstand dort durchschnittlich 4.300 Euro. Staatliche Stellen haben damit ein Frühwarnsystem an der Hand, um Überschuldung zu erkennen - und sie besitzen ein wesentliches Mittel, das helfen könnte, die Manifestation der Überschuldung zu verhindern: den Verzicht auf Forderungen. Denn ist die Überschuldung erst einmal eingetreten, muss die öffentliche Hand auch entsprechende Kosten tragen.
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