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Mehrheit der Deutschen würde schwerstkranken Angehörigen beim Suizid helfen
Umfrage zu "Frau S. will sterben", 2.10., 21:45 Uhr im Ersten

Mainz (ots)

Die Mehrheit der Deutschen steht der Suizidhilfe durch Ärzte und Angehörige offen gegenüber. Nach einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des SWR antworteten 53 Prozent, dass sie persönlich einem schwerstkranken Angehörigen mit der Beschaffung eines zum Tode führenden Medikamentes helfen würden, sein Leben zu beenden. 34 Prozent würden in einem solchen Fall nicht helfen, der Rest enthielt sich bei dieser Frage.

Anlass für die Umfrage ist der Themenabend "Selbstbestimmtes Sterben" im Ersten am Montag, 2. Oktober 2017. Im Anschluss an den Spielfilm "Die letzte Reise" widmet sich die SWR-Dokumentation "Frau S. will sterben" der Frage, wer Hilfe leisten darf, wenn Schwerstkranke mit einem Suizid ihr Leiden verkürzen möchten. Dabei werden die Auswirkungen des Strafgesetzes zur Sterbehilfe (§217 StGB) betrachtet, das Ende 2015 im Bundestag beschlossen wurde. Dieses Gesetz stellt unter Strafe, wenn zum Beispiel Ärzte "geschäftsmäßig" Suizidhilfe leisten. "Geschäftsmäßig" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Personen diese Hilfe wiederholt anbieten. Angehörige nimmt das Gesetz ausdrücklich von der Strafbarkeit aus.

ARD-Dokumentation thematisiert Folgen des Gesetzes Die ARD-Dokumentation zeigt am Beispiel der schwerstkranken Frau S., welche Folgen dieses Gesetz für Patienten und ihre Angehörigen hat. Der Arzt ihres Vertrauens darf ihr den Sterbewunsch nicht mehr ermöglichen, sie ist auf die Hilfe ihres Sohnes angewiesen.

Vor allem aufgrund dieser Auswirkungen für Patienten und Angehörige hat das Bundesverfassungsgericht mittlerweile elf Beschwerden gegen den §217 StGB zugelassen. Der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Prof. Thomas Fischer, zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit des neuen Strafrechtsparagraphen: Er erschwere ärztliche Betreuung von Schwerstkranken am Lebensende, indem es die Ärzte bedrohe: "Zumindest, dass es keine Ausnahmen gibt und zumindest diese kompromisslose Härte, in der das Gesetz das durchzieht, halte ich verfassungsmäßig nicht tragfähig", sagt Fischer im Interview. Er sieht Grundrechte wie "Menschenwürde" (Art. 1) und "freie Entfaltung der Persönlichkeit" (Art. 2) verletzt. Wann das Bundesverfassungsgericht ein Urteil spricht, ist noch unklar. Sehr wahrscheinlich ist aber, dass es vorher zu einer mündlichen Anhörung kommt.

Der deutsche Palliativmediziner, Professor Gian Domenico Borasio, der an der Universitätsklinikum Lausanne tätig ist, bewertet das Gesetz in seiner Wirkung ebenfalls als problematisch: "Das ist aus meiner persönlichen Sicht als Palliativmediziner ein sehr trauriges Gesetz. Weil es gegen die Menschen geht. Es erhöht das strafrechtliche Risiko für Ärzte, die Suizidhilfe leisten wollen. Aber was noch viel schlimmer ist: Es verhindert das offene Gespräch zwischen Arzt und Patient in solchen extremen Notlagen."

Die Initiatoren des Gesetzes von 2015 halten dagegen das Gesetz im positiven Sinne für wirksam. Der Bundestagsabgeordnete Michael Brand (CDU) hatte gemeinsam mit seiner Bundestagskollegin Kerstin Griese (SPD) den fraktionsübergreifenden Antrag entworfen und in den Bundestag eingebracht. Michael Brand im ARD-Film: "Das Gesetz wirkt sehr zielgenau und präventiv. [...] Es gibt eine Ansteckungsgefahr beim Suizid. Angebot schafft Nachfrage. Wir haben die klare Grenze gezogen mit Absicht gegen den ärztlich assistierten Suizid."

Das Gesetz habe dazu geführt, dass Sterbehilfevereine in Deutschland nicht mehr aktiv sind, meint Kerstin Griese: "Es hat auch noch einmal die Grenzen klar gezogen, dass die geschäftsmäßige Förderung des assistierten Suizids nicht erlaubt ist. Also Vereine, die es einzig und alleine darauf abgesehen haben, Menschen zum Tod zu bringen, in Deutschland nicht gewollt sind."

Insgesamt 57 Prozent der Befragten bewerten §217 StGB mit "schlecht" bzw. "sehr schlecht" Dass Ärzte durch den neuen Strafrechtsparagrafen keine Suizidhilfe mehr leisten können, wird von der Mehrheit der Deutschen allerdings als negativ bewertet. Dies ergibt sich aus der aktuellen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des SWR. Auf die Frage "Wie finden Sie das Gesetz, das auch Ärzten enge Grenzen setzt, die wiederholt Schwerstkranken beim Suizid helfen wollen?" antworten 57 Prozent, dass sie das schlecht (34 Prozent) bzw. sehr schlecht (23 Prozent) fänden.

Wer hilft am Lebensende? Sollen Patienten mit schwersten Leiden nicht doch die Hilfe eines Arztes in Anspruch nehmen dürfen beim selbstbestimmten Ende? Der Film von Ulrich Neumann und Sebastian Bösel "Frau S. will sterben" zeigt, dass diese Fragen immer noch nicht beantwortet sind. Die Dokumentation im Ersten läuft im Anschluss an den Spielfilm "Die letzte Reise" mit Christiane Hörbiger, der sich ebenfalls mit dem Thema Sterbehilfe befasst.

Film vorab für akkreditierte Journalisten auf presseportal.SWR.de und auf presse.daserste.de

Fotos über ARD-Foto.de.

Pressekontakt: Sibylle Schreckenberger, Tel.: 06131 929 32755, Sibylle.Schreckenberger@SWR.de

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