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DIE ZEIT

Michael Zerr, Geschäftsführer von Yellostrom, in der ZEIT: Regierung schützt Monopole

Hamburg (ots)

Zum dreijährigen Jubiläum der
Strommarkt-Liberalisierung hat der Geschäftsführer von Yellostrom,
Michael Zerr, heftige Kritik an der rot-grünen Regierung geübt.
"Bisher hat die Bundespolitik leider die Monopole begünstigt - und
nicht die neuen Wettbewerber", sagte Zerr in der jüngsten Ausgabe der
Wochenzeitung DIE ZEIT. Der Gesetzgeber habe die Liberalisierung
beschlossen, aber die Regierung lasse sie "ins Leere laufen", so der
Yello-Chef. "Trotz Liberalisierung lebt das Monopol."
Yello, ein Tochterunternehmen der Energie Baden-Württemberg
(EnBW), ist mit rund 600 000 Kunden der Marktführer unter den neuen
Anbietern am Strommarkt. Das Kölner Unternehmen, das mit der
Kampfpreisformel 19/19 angetreten war (19 Mark monatliche
Grundgebühr/19 Pfennig pro Kilowattstunde), hat kürzlich den
Kilowattstundenpreis auf knapp 22,5 Pfennig angehoben. Schuld daran
seien aber nicht nur neue staatliche Belastungen wie die Ökosteuer
und das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien, sagte Zerr der
ZEIT. Vielmehr stiegen die Strompreise auch deswegen, weil der
Wettbewerb sich zunehmend als "Mogelpackung" erweise. Einerseits
würden wechselwillige Kunden von ihren alten Lieferanten
"schikaniert", andererseits verlangten viele Altmonopolisten "weit
überhöhte Gebühren" für die Benutzung der Stromnetze. Wenn die
Politik den Wettbewerb nicht wirklich durchsetze, werde "in
absehbarer Zeit" wieder das Preisniveau erreicht, das vor der
Liberalisierung herrschte.
Um die Diskriminierung zu beenden, forderte Zerr eine
"Regulierungsinstanz", die einerseits Missbräuche unterbinden,
andererseits die Höhe der Durchleitungsgebühren begutachten solle.
"Wir hoffen immer noch auf Wirtschaftsminister Werner Müller", so
Zerr.
Michael Zerr, Yello-Chef,
   über Strompreise, Ökogesetze und über
   die unvollständige Liberalisierung des Marktes
DIE ZEIT: Herr Zerr, man sieht und hört gar nichts mehr von Ihrem
gelben Strom. Was ist los bei Yello?
Michael Zerr: Man sieht und hört immer wieder was von uns. Aber
natürlich geplant in Kampagnen. Ende vergangenen Jahres haben wir
eine ganz große Kampagne gehabt und mehr als 200 000 Kunden gewonnen.
Im Moment engagieren wir uns mehr im Direktvertrieb - mit mailings,
in unseren shops und im Versandhandel.
DIE ZEIT: Erwirtschaften Sie mittlerweile Gewinne?
Zerr: Noch nicht. Wir wollen den Breakeven Ende 2003 erreichen.
Dann wollen wir 1,3 Millionen Kunden haben.
DIE ZEIT: Momentan haben Sie rund 600 000. Stimmt die von
Kritikern genannte Angabe, das Prestigeobjekt Yello koste den
Mutterkonzern Energie Baden-Württemberg (EnBW) eine Milliarde Mark?
Zerr: Solche Zahlen kommentiere ich nicht. Aber das Wort
Prestigeobjekt ist falsch. Unser Mutterkonzern ist mit der Marke
Yello in den liberalisierten Strommarkt eingetreten und hat mit Yello
den Marktführer unter den Newcomern geschaffen.
DIE ZEIT: Trotz dieses Erfolges haben Sie kürzlich die Preise
erhöht. Yello-Strom kostet jetzt fast 22,5 Pfennig und nicht mehr,
wie früher, nur 19 Pfennig. Warum?
Zerr: Unter anderem wegen der Belastung durch die Ökosteuer sowie
wegen der Gesetze zur Förderung regenerativer Energien und zur
Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung. Das alles hat nicht nur uns,
sondern fast alle anderen Wettbewerber gezwungen, die Preise
anzupassen.
DIE ZEIT: Wollen Sie damit sagen, dass staatliche Vorkehrungen
gegen Umweltgefahren und gegen den Treibhauseffekt überflüssig sind?
Zerr: Sicher nicht. Nur müssen wir diese Abgaben natürlich
umlegen. Es gibt im Stromgeschäft keine Margen mehr, aus denen man
solche Zusatzlasten finanzieren könnte. Aber davon abgesehen: Wenn
das staatliche Handeln berechenbar ist und wenn dadurch der
Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird, können wir damit leben.
DIE ZEIT: Herr Zerr, Sie wollen doch Strom verkaufen, oder?
   Zerr: So ist es.
DIE ZEIT: Vor allem Atomstrom.
Zerr: Gut die Hälfte, der Rest stammt aus Wasserkraft sowie aus
Gas- und Kohlekraftwerken.
DIE ZEIT: Warum geben Sie dann auf Ihrer Website Tipps zum
Stromsparen?
Zerr: Weil wir unserer Kundschaft zu niedrigeren Stromrechnungen
verhelfen wollen. Eine Möglichkeit dafür ist der Wechsel zu einem
neuen Anbieter; eine andere ist eben das Stromsparen. Wir glauben,
dass wir die Kundenbindung festigen, wenn wir sagen, wie das geht.
DIE ZEIT: Zurück zu den Preisen: Sind die Ökogesetze allein
schuld, dass sie wieder steigen?
Zerr: Natürlich nicht. Der Wettbewerb funktioniert nicht richtig.
Die Liberalisierung des Strommarktes ...
DIE ZEIT: ... die vor fast genau drei Jahren in Kraft getreten ist
...
Zerr: ... erweist sich zunehmend als Mogelpackung. Erstens werden
bis heute wechselwillige Kunden behindert, blockiert und schikaniert
- was uns als Neuanbieter in eine Zwickmühle zwingt: Prangern wir die
Missstände nämlich an, verstärkt sich in der Öffentlichkeit der
Eindruck, der Wechsel sei unmöglich; prangern wir aber nicht an,
geht's zurück ins Monopol. Und zweitens verlangen viele
Altmonopolisten nach wie vor weit überhöhte Gebühren für die
Benutzung ihrer Stromnetze.
DIE ZEIT: Etwas genauer, bitte.
Zerr: Im Gesetz steht, dass der Netzbetreiber seine Stromleitungen
diskriminierungsfrei neuen Anbietern zur Verfügung stellen muss. Das
Gesetz regelt aber nicht, wie dieser Anspruch durchgesetzt werden
soll. Natürlich kann man vor die Gerichte ziehen. Aber ein
rechtskräftiges Urteil bekommen Sie erst nach fünf, sechs, sieben
Jahren. Das hilft also nicht viel.
DIE ZEIT: Was fordern Sie?
Zerr: Eine Regulierungsinstanz, die einerseits Missbräuche
unterbindet, andererseits aber auch die Höhe der
Durchleitungsgebühren begutachtet. Heute legen die Netzbetreiber
diese Gebühren einseitig fest. Wir können das entweder akzeptieren
oder auf die Stromdurchleitung verzichten. Der Dumme ist der Kunde -
er wird am Ende geprellt.
DIE ZEIT: Wie hoch sind diese Gebühren?
Zerr: Im Durchschnitt mehr als 13 Pfennig.
DIE ZEIT: Weil sie zusätzlich noch Steuern und Konzessionsabgabe
zahlen müssen, kann für die reine Stromerzeugung kaum noch etwas
übrig bleiben.
Zerr: Richtig. Strom am Großmarkt kostet etwa 4,5 bis 5,5 Pfennig.
Faktisch ist es also so, dass viele ehemalige Monopolisten jetzt zwar
weniger Strom verkaufen, die Einnahmeverluste aber durch die
überhöhten Durchleitungsentgelte wieder hereinholen. Trotz
Liberalisierung lebt das Monopol.
DIE ZEIT: Wer sind denn diese Altmonopolisten? Nur Stadtwerke oder
auch RWE und Co.?
Zerr: Nein, nein, ich meine nicht nur die Stadtwerke, unter denen
es übrigens solche gibt, die sich dem Wettbewerb offensiv stellen,
und solche, die sich defensiv verhalten. Auch die Großen betätigen
sich manchmal als Wettbewerbsbehinderer - E.on nach meiner Erfahrung
übrigens mehr als RWE.
DIE ZEIT: Ihr Mutterkonzern EnBW hat selbstverständlich eine weiße
Weste.
Zerr: Mit seinen Durchleitungsentgelten liegt EnBW jedenfalls am
unteren Ende. Gerade weil die EnBW mit Yello in den Wettbewerb
gegangen ist, muss sie sich natürlich nun vorbildlich verhalten.
DIE ZEIT: Gemeinsam mit Yello und einigen anderen neuen Anbietern
wirbt EnBW ja auch für die Strommarkt-Regulierung.
Zerr: In der Tat. Wir hoffen immer noch auf Wirtschaftsminister
Werner Müller. Bisher hat die Bundespolitik leider die Monopole
begünstigt - und nicht die neuen Wettbewerber. Anders gesagt: Der
Gesetzgeber hat die Liberalisierung beschlossen, aber die Regierung
lässt sie ins Leere laufen.
DIE ZEIT: Werden die Strompreise weiter steigen, wenn sich daran
nichts ändert?
Zerr: Selbstverständlich. Wenn die Politik uns weiter mit
kostenwirksamen Gesetzen konfrontiert und wenn sie den Wettbewerb
nicht wirklich durchsetzt, wird in absehbarer Zeit wieder das
Preisniveau erreicht, das vor der Liberalisierung herrschte.
Mit Michael Zerr sprach Fritz Vorholz     /    DIE ZEIT Nr. 19 vom
3. Mai 2000
Rückfragen:
Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co.
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Telefax: 040 / 32 71 11
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