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Landeskriminalamt Schleswig-Holstein

LKA-SH: Studie zu vorurteilsmotivierter Kriminalität: Landeskriminalamt Schleswig-Holstein legt Sonderbericht vor

Kiel (ots)

Vorurteilsmotivierte Kriminalität geht gezielt gegen Personen aufgrund ihrer sozialen Gruppenzugehörigkeit vor und orientiert sich an identitätsstiftenden Merkmalen wie zum Beispiel Hautfarbe, Religion oder sexuelle Orientierung. Die Täter/innen sind dabei durch Vorurteile gegenüber bestimmten Merkmalen motiviert, die die gesamte Gruppe des Opfers betreffen. Diese Taten können von Beleidigungen und Bedrohungen über Rufschädigung bis hin zu Raub und Brandanschlägen reichen.

"Das Erleben von vorurteilsmotivierter Kriminalität ist deshalb besonders belastend und furchtauslösend, weil die Taten auf Merkmale abzielen, welche das Opfer nicht kontrollieren kann", sagt Dr. Lars Riesner, Psychologe und Leiter der Kriminologischen Forschungsstelle am Landeskriminalamt Schleswig-Holstein.

Über das tatsächliche Ausmaß und die Folgen dieser Straftaten ist in Deutschland bislang nur wenig bekannt gewesen. Eine neue Studie, die parallel von den Landeskriminalämtern Schleswig-Holstein und Niedersachsen als Sondermodul der Dunkelfeldstudie 2017 durchgeführt worden ist, legt nun erstmals repräsentative Zahlen vor. Mit der länderspezifische Auswertung und Ergebnisdokumentation ist das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) beauftragt worden. Die Ergebnisse können wichtige Hinweise für den polizeilichen Umgang mit Opfern vorurteilsmotivierter Kriminalität geben.

Aufgrund der hohen gesellschaftlichen Relevanz beleuchtet das LKA das Thema in der aktuell gestarteten Dunkelfeldstudie 2019 erneut. Ziel ist es, wichtige Erkenntnisse über Veränderungen und Tendenzen seit der letzten Befragung zu gewinnen und polizeiliches Handeln daran zu orientieren.

Zentrale Ergebnisse der Studie für Schleswig-Holstein

Insgesamt berichten 5,1% der 11.614 befragten Schleswig-Holsteiner/innen, dass sie im Jahr 2016 Opfer durch vorurteilsmotivierte Kriminalität geworden sind. Dies entspricht in etwa den mittleren Raten, die auch aus der internationalen europäischen Forschung berichtet werden.

Drei Viertel (75 %) aller berichteten Fälle gehören zu den Ehr- und Drohungsdelikten, die zu einem großen Teil im Internet erfolgten. Seltener wurden Delikte wie Sachbeschädigung/Vandalismus (9 %) und Diebstahl (7 %) genannt. Noch kleiner sind die Anteile erlebter schwerer Delikte wie Körperverletzung (2 %) sowie Sexueller Missbrauch/Vergewaltigung, Raub oder Brandanschlag auf das Wohnhaus, die unterhalb des einstelligen Bereiches liegen.

Hinsichtlich des Anzeigeverhaltens gibt es keine relevanten Unterschiede zwischen Opfern vorurteilsmotivierter Taten und Opfern anders motivierter Taten: Im Durchschnitt wurden von beiden Opfergruppen rund 30 % aller berichteten Fälle angezeigt. In Hinblick auf das Anzeigeverhalten nach einzelnen Delikten finden sich ebenfalls keine statistisch relevanten Unterschiede. Eine gängige Annahme, dass vorurteilsgeleitete Taten seltener angezeigt werden als anders motivierte Delikte, kann für Schleswig-Holstein somit nicht bestätigt werden.

Gefragt nach den persönlichen Merkmalen, die die berichtete vorurteilsmotivierte Tat begründet haben, nannten die Betroffenen am häufigsten den sozialen Status (17 %), die finanzielle Situation (15 %), das Aussehen (14 %), das Alter (12 %) sowie das Geschlecht, bzw. die geschlechtliche Identität (10 %). Am seltensten wurden chronische Erkrankungen/Behinderungen, die Hautfarbe und die sexuelle Orientierung als tatbegründendes Merkmal genannt.

Hierbei ist allerdings anzumerken, dass selten genannte Merkmale in einzelnen sozialen Gruppen eine große Rolle spielen können: Im Vergleich der Nennungen von Opfern mit und ohne Migrationshintergrund wird dies deutlich. Opfer mit Migrationshintergrund gaben im Vergleich zu Opfern ohne Migrationshintergrund anteilig signifikant häufiger die Herkunft (34% vs. 9 %), die Religion (14 % vs. 3 %) und die Hautfarbe (8 % vs. 3 %) als Grund für die erlebte Tat an.

Die Berichte zu unbeteiligten Dritten während der Tat fallen ambivalent aus. Es wird sowohl von zivilcouragiertem Verhalten, als auch von Wegsehen bis hin zu ebenfalls abfälligem Äußern gegenüber den Opfern berichtet. In 27 % der Fälle, in denen weitere Personen bei der Tat zugegen waren, haben diese Hilfe geholt. Ebenfalls häufig haben sich unbeteiligte Personen mit Worten (49,1 %), körperlich (18,3 %) oder auf andere Weise (44,3 %) für das Opfer eingesetzt. Neben diesem zivilcouragiertem Verhalten berichten jedoch auch 39,5 % der Opfer von Unbeteiligten, die weggesehen haben. Und 12,5 % berichten, dass dritte Personen sich ebenfalls abfällig gegenüber den Opfern äußerten. (Es waren Mehrfachantworten möglich)

Opfer von Vorurteilskriminalität leiden besonders stark unter den Folgen der Tat. Und Sie weisen im Vergleich zu Opfern nicht vorurteilsmotivierter Kriminalität signifikant höhere Werte in allen Bereichen der Kriminalitätsfurcht auf. Das heißt, Opfer von Vorurteilskriminalität fühlen sich in ihrer räumlichen Umgebung unsicherer und haben häufiger die Befürchtung, Opfer von Kriminalität zu werden. Zudem zeigen Sie häufiger Schutz- und Vermeidungsverhalten gegenüber Kriminalität, indem sie zum Beispiel eher vermeiden, bei Dunkelheit das Haus zu verlassen und sich eher bewaffnen.

Opfer von vorurteilsmotivierter Kriminalität haben im Vergleich zu Opfern von nicht vorurteilsmotivierter Kriminalität und Nicht-Opfern das geringste Vertrauen in die Polizei als rechtsstaatliche Institution aber auch in deren Arbeit im Allgemeinen.

Grenzen der Untersuchung

Ein Vergleich zwischen der offiziellen Hellfeldstatistik zu Politisch Motivierter Kriminalität (PMK) und den hier erhobenen Dunkelfelddaten ist unter anderem deshalb nicht möglich, weil sich die in der Bevölkerung erfragten und die polizeilich erfassten Straftaten nicht unmittelbar in Deckung bringen lassen.

Einschränkend ist in Bezug auf die hier präsentierte Datengrundlage zudem zu erwähnen, dass bestimmte Gruppen aufgrund der mangelnden Erreichbarkeit in entsprechenden Dunkelfeldbefragungen nicht enthalten sind, beispielsweise Obdachlose oder Personen, die keine deutschen Sprachkenntnisse haben. Es können zudem keine Angaben zu den Anteilen der einzelnen betroffenen Gruppen in der Bevölkerung gemacht werden.

Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass der Anteil von Personen, die berichten, Opfer von vorurteilsmotivierter Kriminalität geworden zu sein, stark davon abhängt, wie gefragt wird. Je detaillierter, desto mehr Personen geben an, von solchen Taten betroffen zu sein. Dies ist ein Effekt, der bereits aus anderen Sondermodulen bekannt ist. Die detaillierte Abfrage führt sehr wahrscheinlich dazu, dass Menschen Erinnerungen an Erlebtes leichter entsprechend einordnen, was insbesondere bei der Interpretation von Ergebnissen zur Häufigkeit berücksichtigt werden muss.

Der ausführliche Bericht und die Ergebnisse der Studie sind auf der Internetseite des KFN frei verfügbar:

"Erfahrungen und Folgen von Vorurteilskriminalität. Schwerpunktergebnisse der Dunkelfeldstudie des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein 2017"

Rückfragen bitte an:

Arne Dreißigacker, Soziologe am KFN und Autor des Berichts zum Schwerpunktmodul "Vorurteilskriminalität": Telefon: 0511/34836-28 E-Mail: arne.dreissigacker@kfn.de

oder

Dr. Lars Riesner, Kriminologische Forschungsstelle LKA Schleswig-Holstein, Telefon: 0431/160-4008 E-Mail: lars.riesner@polizei.landsh.de

Rückfragen bitte an:

Landeskriminalamt Schleswig-Holstein
Carola Jeschke
Telefon: 0431/160-4006
E-Mail: Presse.Kiel.LKA@Polizei.LandSH.de

Original-Content von: Landeskriminalamt Schleswig-Holstein, übermittelt durch news aktuell

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