PD Rheingau-Taunus - Polizeipräsidium Westhessen
POL-RTK: Festnahmesituation Idstein, Stellungnahme des Polizeipräsidiums Westhessen, Idstein, Wiesbaden, 12.01.2023
Bad Schwalbach (ots)
Aus Anlass der Sitzung des Innenausschusses des Hessischen Landtages, in der Polizeipräsident Felix Paschek zur Festnahmesituation an der Idsteiner Polizeistation am 8.9.2020 ausgeführt hat, ergänzt das Polizeipräsidium Westhessen seine Stellungnahme vom 04.01.2023 wie folgt:
"Das Polizeipräsidium Westhessen nimmt jeden Vorwurf von Fehlverhalten von Polizeibediensteten sehr ernst. Aber auch für Polizistinnen und Polizisten gilt die Unschuldsvermutung. Die Polizei ist Träger des staatlichen Gewaltmonopols. Das bedeutet, dass die Polizei zur Durchsetzung ihres Handelns zur Anwendung von körperlichen Zwangsmaßnahmen berechtigt ist. Die Gewaltanwendung ist im polizeilichen Alltag zur Durchsetzung des Rechtsstaats leider auch immer wieder nötig. Unter Zugrundelegung des momentanen Erkenntnisstandes und unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich durch Unbekannte auf youtube veröffentlichten Videomaterials, sehe ich als Leiter der Beschäftigungsbehörde, vorbehaltlich der abschließenden strafrechtlichen Bewertung durch die Staatsanwaltschaft, derzeit keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Anwendung unmittelbaren Zwangs in dem hier in Rede stehenden Fall notwendig war. Der Betroffene hat sich offenkundig - und dies wird von allen Beteiligten auch so dargestellt - der polizeilichen Maßnahme widersetzt", so Polizeipräsident Felix Paschek.
Die Geschehnisse beginnen mit einem Gerangel an der Eingangstür der Polizeistation, woraufhin die Festnahmesituation beginnt. Über drei Minuten "ringen" die Beamten mit dem Betroffenen auf dem Boden, bis schließlich die Fesselung gelingt. In dieser Zeit ist deutlich zu erkennen, dass sich der Betroffene der beabsichtigten Fesselung, entgegen mehrfacher Aufforderungen zu kooperieren, massiv widersetzt. Währenddessen erlitten auch ein Beamter sowie eine Beamtin leichte Schürfwunden.
Die Aussagen der Beamten, dass über einen langen Zeitraum erfolglos versucht worden sei, die Kooperation des Betroffenen kommunikativ und durch niedrigschwellige Zwangsanwendungen zu erreichen, decken sich mit den Bildern der Videoaufnahmen.
Nach über zwei Minuten Gerangel ist zu erkennen, dass einer der Beamten einen Schlag auf den Kopf des Betroffenen abgibt und kurz darauf mit der linken Innenhandfläche nochmals auf den Kopf einwirkt.
Alle beteiligten Beamten und die Beamtin haben bereits in ihren ersten Einlassungen unmittelbar nach dem Ereignis den ausgeführten Schlag zu Protokoll gegeben. Grundsätzlich kann ein Schockschlag im Rahmen einer entsprechenden Auseinandersetzung dazu dienen, dass der Betroffene aufhört, sich gegen die Maßnahmen zu sperren und die Fesselung ermöglicht wird.
Nach der Fesselung gab es nach allen bisherigen Erkenntnissen und entgegen der Darstellung des Betroffenen in den Medien keinerlei Zwangsanwendungen mehr. Ganz im Gegenteil richten die Einsatzkräfte den Mann nach der Fesselung auf und reden nochmals fast zwei Minuten auf ihn ein, bis dieser sich in die Polizeidienststelle führen lässt. Während der Festnahme legt sogar ein Beamter die auf den Boden gefallene Brille des Mannes zur Seite.
Zur erfolgten Nichtsicherung der Videos der Videoanlage sagt der Polizeipräsident: "Ich möchte nochmals deutlich sagen, dass das Nichtsichern des Videos ein Fehler meiner Behörde war. Auch die an dem Einsatz beteiligten Bediensteten haben über den vermeintlichen Verlust dieses wichtigen Beweismittels ihren Ärger deutlich zum Ausdruck gebracht; ist auf den Aufnahmen doch zu sehen, wie der Ablauf tatsächlich war", sagte Polizeipräsident Felix Paschek.
Das Unterlassen der Sicherung ist, auch wenn man nach den aktuell vorliegenden Erkenntnissen davon ausgehen muss, dass der verantwortliche Beamte fälschlicherweise von einer längeren Speicherdauer ausging, Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Das Polizeipräsidium Westhessen hat von Anfang an intensive Bemühungen unternommen, das Video wiederherzustellen, auch unter Einbindung der Herstellerfirma der Videoanlage und des Hessischen Landeskriminalamts. Im Übrigen erfolgte bereits unmittelbar nach dem Vorfall eine Pressemitteilung mit der Aufforderung an etwaige Zeugen, sich zu melden, um den Sachverhalt vollumfänglich aufklären zu können.
"Nach meinem Dafürhalten ein weiteres Indiz dafür, dass selbstverständlich auch wir als Polizei ein großes Interesse daran hatten und haben, den Vorfall objektiv aufzuklären. Mir ist wichtig zu betonen, dass in diesem Fall keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass irgendetwas vertuscht werden sollte. Ebenso ist es mir wichtig, klar zu sagen, dass die handelnden Beamtinnen und Beamten von vornherein klar den Vorfall so geschildert haben, wie er sich aus ihrer Sicht dargestellt hat. Das Video steht hierzu nicht im Widerspruch.
Grundsätzlich gilt, wenn sich jemand einer polizeilichen Maßnahme zu entziehen versucht, dann ist es für die Kolleginnen und Kollegen möglich, ja sogar geboten, Zwangsmittel anzuwenden, um das polizeiliche Handeln und damit die Durchsetzung des Rechtsstaats zu gewährleisten. Die Anwendung von Zwangsmitteln ist nie schön und belastet auch die Beamtinnen und Beamten. Wir als Polizei stellen uns stets der Aufarbeitung, wenn es zur Anwendung von Zwangsmitteln kam. Die Justiz fungiert hier als neutrale Stelle im Rechtsstaat. So ist es auch in diesem Fall", ergänzt Präsident Felix Paschek abschließend.
Zur Information:
Stellungnahme des Polizeipräsidium Westhessen vom 04.Januar 2023
Am 08.09.2020 befand sich der in Rede stehende und damals 38-Jährige aufgrund der Festnahme seines Vaters auf der Polizeistation Idstein. Der Festnahme des Vaters vorangegangen war ein Verkehrsunfall unter Beteiligung des Vaters. Bei diesem wurde nach dem Verkehrsunfall Alkoholgeruch festgestellt, woraufhin eine Blutentnahme durchgeführt werden sollte.
Der polizeilich bereits mehrfach in Erscheinung getretene Sohn, ein damals 38-jähriger Kampfsporttrainer, suchte am 08.09.2020 die Polizeistation Idstein auf und störte dort durch lautes Rufen und aggressives Verhalten die polizeilichen Maßnahmen. Daraufhin wurde er der Polizeistation verwiesen. Diesem Verweis kam er nicht nach, so dass er von drei männlichen Beamten und einer weiblichen Beamtin nach draußen geleitet werden sollte. In dieser Situation, die teilweise durch ein vierminütiges Video der Überwachungskamera dokumentiert ist, kam es zu Widerstandshandlungen und zum Einsatz von unmittelbaren Zwang durch körperliche Gewalt durch die eingesetzten Polizeibeamten. Gegen den Betroffenen wurde ein Strafverfahren wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gegen die eingesetzten Beamten Strafverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt eingeleitet.
Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat das Verfahren gegen zwei Beamte und die Beamtin im November 2022 eingestellt, weil nach Bewertung der Staatsanwaltschaft in Kenntnis des o. g. Videos der Tatverdacht ausgeräumt ist.
Im Hinblick auf das noch laufende Verfahren gegen einen beteiligten Beamten können von Seiten der Polizei keine weiteren Angaben zum Sachverhalt gemacht werden, hier ist für Auskünfte die Staatsanwaltschaft Wiesbaden zuständig. "Wir nehmen jeden Vorwurf von Fehlverhalten von Polizeibediensteten sehr ernst", so Felix Paschek, Präsident des Polizeipräsidiums Westhessen. "Aber auch für Polizeibeamte gilt die Unschuldsvermutung. Die Polizei ist als Träger des staatlichen Gewaltmonopols zur Anwendung von körperlicher Gewalt berechtigt. Solche Situationen sehen nie schön aus, auch wenn sie im jeweiligen Fall geboten, rechtmäßig und unvermeidlich sind. Das sind auch für Polizeibeamte schwierige und herausfordernde Momente, die aber eben zum Aufgabenprofil gehören. Meine Kolleginnen und Kollegen müssen daher Verständnis für objektive und umfassende Untersuchungen durch interne Stellen und die Staatsanwaltschaft haben, wenn unangemessene Gewaltanwendung im Raume steht. Gleichzeitig dürfen sie aber auch zu Recht von der Öffentlichkeit eine objektive und nicht vorverurteilende Bewertung erwarten."
Nach Abschluss des noch laufenden Strafverfahrens wird das Polizeipräsidium Westhessen prüfen, ob Fehlverhalten vorlag, welches disziplinarrechtlich zu würdigen ist.
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