ZOLL-H: Jahresbilanz 2016 des Zollfahndungsamtes Hannover
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Hannover (ots)
Jahresbilanz 2016 des Zollfahndungsamtes Hannover
- Steuerbetrügereien in Millionenhöhe aufgedeckt - 735 Ermittlungsverfahren gegen 1002 Beschuldigte neu eingeleitet - 21 Verfahrenskomplexe im Bereich "Organisierte Kriminalität" bearbeitet - Erhebliche Steigerung der Sicherstellungen bei Zigaretten und Rauschgift
Das Zollfahndungsamt Hannover blickt auf ein erfolgreiches Jahr 2016 zurück.
Schwerpunkte der Ermittlungen waren Tabaksteuerstraftaten, Betäubungsmitteldelikte, die Hinterziehung von Einfuhrzöllen (einschließlich Antidumpingzoll) sowie Straftaten nach dem Waffen- und Sprengstoffrecht.
Es wurden insgesamt 735 Ermittlungsverfahren mit 1002 Beschuldigten neu eingeleitet sowie etliche Verfahren fortgeführt. 21 Verfahrenskomplexe betrafen Tätergruppierungen, die der internationalen Organisierten Kriminalität zuzurechnen sind.
Der Leiter des Zollfahndungsamtes Hannover, Thomas Lieske:
" Die Zollfahndung hat es mit vielfältigen Formen schwerer grenzüberschreitender Kriminalität zu tun, wobei sich die Begehungsweisen der oftmals bestens organisierten Täterkreise laufend verändern. Wir müssen die aktuellen Entwicklungen der Kriminalitätsphänomene ständig im Blick behalten, um darauf schnell und flexibel reagieren zu können."
Im vergangenen Jahr hat das Zollfahndungsamt Hannover durch seine Ermittlungen Steuerschäden von mehr als 112 Millionen Euro aufgedeckt. Dabei konnten mehrere Verfahren, die z.T. über Jahre und mit einem beträchtlichen Personalaufwand geführt wurden, abgeschlossen werden. Die drei nachfolgenden Beispiele zeigen den Facettenreichtum der aufgedeckten Machenschaften und verdeutlichen den Umfang der auf dem Spiel stehenden Steuerausfälle:
Gegen die Verantwortlichen eines Mineralöl verarbeitenden Betriebes aus Sachsen-Anhalt findet zurzeit die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Magdeburg statt. Ihnen wird die Hinterziehung von mehr als 70 Millionen Euro Energiesteuer vorgeworfen. Sie sollen aus unversteuerten Schmierölen ein dem Dieselkraftstoff ähnelndes Gemisch hergestellt und dieses europaweit als Treibstoff verkauft haben. Der Anklageerhebung waren intensive strafprozessuale Ermittlungshandlungen in engem Zusammenwirken mit Zollbehörden in 15 Mitgliedstaaten der EU vorausgegangen. In akribischer Kleinarbeit konnten Beweise für Tausende, mutmaßlich illegale Kraftstofflieferungen zusammengetragen werden, die über ein weit verzweigtes Netz augenscheinlicher Tarnfirmen abgewickelt wurden.
Ein Ermittlungsverfahren gegen die Einführer von Textilien ergab, dass eine Gruppe von Tätern aus Deutschland und Polen für mehrere hundert Containersendungen aus China bei der Zollabfertigung zu niedrige Warenwerte angegeben hatte. Zusätzlich umgingen sie durch geschickte Manipulationen die Zollkontrollen der Einfuhrwaren. Der dadurch verursachte Steuerschaden beläuft sich auf über 6,8 Millionen Euro.
Bei der Einfuhrabfertigung großer Mengen für die Tierfutterherstellung bestimmter Sojaprodukte aus Brasilien haben zwei Unternehmen aus Norddeutschland falsche Angaben über den für die Abgabenerhebung maßgeblichen Stärkegehalt gemacht. Die dadurch "eingesparten" mehr als 2,9 Millionen Euro konnten aufgrund der Ermittlungen des Zollfahndungsamtes Hannover nachträglich erhoben werden.
In einem anderen Fall gelang es, durch die Verwertung mehrerer tausend Fahrräder aus dem Warenbestand des Beschuldigten von insgesamt über 4,3 Millionen Euro hinterzogenen Einfuhrabgaben zumindest 850.000 Euro hereinzuholen. Nach den Ermittlungen der Hannoveraner Zollfahnder hatte ein süddeutscher Importeur den wahren Ursprung der in China exklusiv für sein Internet-Unternehmen produzierten Fahrräder mit hoher krimineller Energie verschleiert, indem er sie über andere südostasiatische Staaten einführte, um den von der EU verhängten Antidumpingzoll für Fahrräder aus China in Höhe von 48,5 % zu umgehen. Dadurch konnte er die Waren erheblich günstiger als seine legal arbeitende Konkurrenz auf den Markt bringen. Für eine Teilpartie seiner Importe hat das Landgericht Mannheim den Mann bereits zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 3 Jahren verurteilt. Für einen weiteren Tatkomplex wird demnächst die Hauptverhandlung stattfinden.
Das Zollfahndungsamt Hannover befasst sich seit Jahren auch intensiv mit der Bekämpfung der internationalen Organisierten Kriminalität (OK).
Die hierzu geführten 21 Verfahrenskomplexe betrafen die Bereiche Tabak-, Energie- und Branntweinsteuer, Betäubungsmittel und Einfuhrabgaben. Eine vor Gericht standhaltende Beweisführung ist nur mit einem erheblichen Ressourceneinsatz und hochmotivierten, spezialisierten Kräften zu bewerkstelligen. Die Tätergruppierungen, die ihre Vorhaben professionell planen und mittels ausgeklügelter Logistik äußerst konspirativ durchführen, kennen die Möglichkeiten der Ermittlungsbehörden genau und nutzen modernste Technik, z. B. für ihre Kommunikation, die Verschlüsselung von Daten oder auch zur Aufklärung und Verhinderung von Observationsmaßnahmen (Einsatz von Kameras, Störsendern u.ä.).
Die Bekämpfung der Tabaksteuerkriminalität bildete auch in 2016 ein wesentliches Standbein bei der Ermittlungsarbeit. Dabei konnten fast 14 Millionen Zigaretten und über 9,7 Tonnen Wasserpfeifentabak sichergestellt werden.
Im Sommer 2016 wurde eine besondere Variante des Zigarettenschmuggels aufgedeckt: Die Fahrer eines im internationalen Linienverkehr eingesetzten Reisebusses hatten gut getarnte Schmuggelfächer unter den Passagiersitzen in ihr Fahrzeug eingebaut. Zusätzlich angebrachte Bleche aus Blei sollten das Schmuggelgut vor der Entdeckung bei etwaigen Röntgenkontrollen schützen. Um die Zigaretten im Raum Ostwestfalen unbemerkt ausladen zu können, täuschte man den Fahrgästen einen technischen Defekt am Bus vor und ließ sie mit dem Hinweis, dass man eine Werkstatt aufsuchen müsse, auf einem Rastplatz zurück. Die Ermittlungskräfte vom Dienstsitz Bielefeld des Zollfahndungsamtes Hannover nahmen die Fahrer und einen der Abnehmer bei der Entladung und Übergabe der Zigaretten fest. 970 Stangen unversteuerter Zigaretten wurden sichergestellt.
Im Bereich Halberstadt konnten die Zollfahnder vom Dienstsitz Magdeburg des Zollfahndungsamtes Hannover einen umfangreichen Komplex von Ermittlungsverfahren wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei mit unverzollten und unversteuerten Zigaretten abschließen. Dabei war es gelungen, ein weitreichendes Vertriebsnetz zu enttarnen. Die Ermittlungen richteten sich gegen mehr als 80 Tatverdächtige, denen der Umschlag von annähernd 11 Millionen Schmuggelzigaretten nachgewiesen wurde. Als die Fahnder vor über 4 Jahren begannen, ersten Hinweisen auf den illegalen Zigarettenhandel im östlichen Harzvorland nachzugehen, war noch nicht absehbar, auf welch weit verzweigtes Kriminalitätsgeschehen sie dabei stoßen würden. Im Laufe der Ermittlungen konnten Stück für Stück immer neue Mosaiksteine zusammengefügt werden, bis sich eine mehrstufige Vertriebsstruktur abzeichnete, die sich in der Region herausgebildet hatte. Ähnlich wie im legalen Warenhandel gab es Großhändler, die die in schneller Abfolge aus Polen und Weißrussland angelieferten Zigaretten an mehrere Zwischenhändler abgaben, welche sie wiederum an diverse örtliche Einzelhändler verteilten, von denen dann die Endkunden versorgt wurden. Manche der beteiligten Händler, obwohl eigentlich Konkurrenten, halfen sich sogar gelegentlich mit Zigaretten aus, wenn gerade ein "Geschäftskollege" einen Lieferengpass hatte. Etliche Tatbeteiligte wurden inzwischen zu empfindlichen Strafen verurteilt.
Thomas Schüre, Pressesprecher des Zollfahndungsamtes Hannover:
" Wir konnten uns anfänglich nicht vorstellen, dass so viele Raucher im Harzvorland ihre Zigaretten regelmäßig aus unversteuerten Quellen bezogen. Die vermeintlichen Schnäppchen erwiesen sich aber für sie aufgrund der nachträglichen Steuerbescheide als teurer Spaß. Die Konsumenten der Hehlerware müssen sich zudem bewusst werden, dass sie sich auch selber strafbar machen und durch ihre Nachfrage die hochkriminellen Strukturen des internationalen Zigarettenschmuggels unterstützen."
Die größte Einzelsicherstellung im vergangenen Jahr gelang im Raum Bielefeld mit mehr als 4 Millionen Zigaretten, versteckt in einer Tarnladung aus Speiseeis. Die Sendung kam aus dem Baltikum und sollte nach Großbritannien geliefert werden.
Auch bei der Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität hat das Zollfahndungsamt Hannover wieder gute Erfolge erzielt. Bei den Sicherstellungen von Haschisch (+ 226 %), Heroin (+ 126 %), Amfetamin (+ 108%) und Kokain (+ 67 %) konnten die Mengen, die dem illegalen Markt entzogen wurden, gegenüber dem Vorjahr sogar deutlich gesteigert werden.
Seit Jahren werden Seecontainer mit legaler Ware und ohne Wissen des Absenders für den Rauschgiftschmuggel benutzt. Im März 2016 wurden beispielsweise im Emder Hafen Kunststoffsäcke mit 90 kg Kokain sichergestellt, die sich in den Motorräumen von sechs fabrikneuen Baumaschinen an Bord eines aus Brasilien kommenden Frachtschiffes befanden. Für den Transport war das Rauschgift hinter den Wartungsklappen der Motoren sicher verborgen. Dennoch wäre es unterwegs jederzeit möglich gewesen, die Säcke zu entnehmen, ohne dabei Spuren zu hinterlassen.
Die GER Hannover (Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift - Landeskriminalamt Niedersachsen / Zollfahndungsamt Hannover) hat im September 2016 rund 500 kg Marihuana sichergestellt. Die Ermittlungen richteten sich gegen mehrere Tatverdächtige aus Montenegro und Albanien, die nach der observierten Rauschgiftanlieferung festgenommen wurden.
In einem Ermittlungskomplex der GER Bremen (Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift -Landeskriminalamt Bremen / Zollfahndungsamt Hannover) kam es im März 2016 zu einer Sicherstellung von rund 12,5 kg Heroin bei der Rauschgiftübergabe im Mannheimer Hafen, zu der die türkisch-kurdischen Organisatoren zwei Kurierfahrer aus Bremen entsandt hatten. Im engen Zusammenhang mit diesen Ermittlungen konnte auch eine weit nach Niedersachsen und Schleswig-Holstein hineinreichende Verteilerstruktur zerschlagen werden.
Zu etlichen weiteren Rauschgiftaufgriffen der Kontrolleinheiten der Hauptzollämter im Bezirk wurden vom Dienstsitz Bremen des Zollfahndungsamtes Hannover die Anschlussermittlungen geführt.
Neben einer Reihe von Verstößen gegen das Waffenrecht betrafen die Ermittlungen am Dienstsitz Magdeburg des Zollfahndungsamtes Hannover auch die unerlaubte Einfuhr von Feuerwerkskörpern, die von Privatleuten im gesamten Bezirk über ausländische Internetshops illegal gekauft wurden. Dabei handelte es sich um pyrotechnische Gegenstände, die große Mengen von Explosivstoffen enthielten. Diese sind in Deutschland nicht frei verkäuflich, weil sie bei unsachgemäßer Handhabung extremen Schaden verursachen können.
Nach dem Sprengstoffgesetz sind für die Einfuhr, den Erwerb und den Umgang damit spezielle Genehmigungen erforderlich, die nur zuverlässigen Personen mit nachgewiesener besonderer Sachkunde erteilt werden.
Bei richterlich angeordneten Durchsuchungen wurden im Wohnbereich der Beschuldigten mehrfach umfangreiche Arsenale unter besorgniserregenden Lagerbedingungen vorgefunden. Die größten sichergestellten "Böller" hatten ein Gewicht von fast 5 Kilogramm und nahezu die Größe eines Fußballes.
Thomas Schüre, Pressesprecher des Zollfahndungsamtes Hannover:
" Die Leichtfertigkeit vieler "Hobby-Feuerwerker" ist unfassbar und führt allein schon durch den ungesicherten Transport und die unsachgemäße Aufbewahrung zu unkalkulierbaren Risiken. Wir haben manchem die Freude an dieser Liebhaberei verdorben, damit aber einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit der Bevölkerung leisten können."
Die seit langem bewährte Strategie des Zollfahndungsamtes Hannover zur Abschöpfung illegal erlangten Vermögens war auch im Jahr 2016 ein wichtiges Standbein der Kriminalitätsbekämpfung. Insgesamt konnten Vermögenswerte von mehr als 1,9 Millionen Euro aufgespürt und gesichert werden.
Die wesentlichen Ergebnisse des Jahres 2016 in Zahlen zusammengefasst:
Eingeleitete Ermittlungsverfahren 735 Beschuldigte 1.002 Ermittelter Steuerschaden 112 Mio. Euro Inlandssicherstellungen Zigaretten 13,8 Mio. Stück Zusätzlich ermittelte Zigarettenmenge 45,6 Mio. Stück
Inlandssicherstellungen Rauschgift Kokain 102,5 kg Heroin 23,8 kg Amfetamin 46,5 kg Ecstasy 18.692 Stück Marihuana 77,1 kg *) Haschisch 183,0 kg Khat 17,0 kg
Gesicherte Vermögenswerte 1.969.879 Euro
*) Die von der GER Hannover sichergestellten rund 500 kg Marihuana wurden in der Statistik der Polizei Niedersachsen erfasst
Zusätzliche Informationen zur Organisation des Zollfahndungsamtes Hannover:
Das Zollfahndungsamt Hannover untersteht der am 01.01.2016 eingerichteten Generalzolldirektion (GZD), einer Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums. Es ist Teil des deutschen Zollfahndungsdienstes, der aus dem Zollkriminalamt (Direktion VIII der GZD) sowie den 8 Zollfahndungsämtern in Deutschland besteht.
Mit seinen Außenstellen in Bremen, Magdeburg und Bielefeld und 316 Beschäftigten ist das Zollfahndungsamt Hannover für weite Teile Niedersachsens, Sachsen-Anhalts, Bremens und die Region Ostwestfalen zuständig. Damit umfasst der Bezirk ein Gebiet von über 60.000 Quadratkilometern.
Zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität arbeitet das Zollfahndungsamt Hannover schon seit vielen Jahren erfolgreich mit den Polizeibehörden der Länder in "Gemeinsamen Ermittlungsgruppen Rauschgift" zusammen (GER Hannover, Osnabrück, Oldenburg, Bremen und Magdeburg).
Auch bei der Bekämpfung der Geldwäschekriminalität gibt es eine institutionalisierte Zusammenarbeit spezialisierter Kräfte von Zollfahndung und Polizei in "Gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen" (GFG Hannover und Magdeburg).
Rückfragen bitte an:
Zollfahndungsamt Hannover
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Thomas Schüre
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