POL-H: Aufenthaltsverbote für Straftäter Innenstadt
Hannover (ots)
Zur Bekämpfung der großstadttypischen Gewalt- und Aggressionskriminalität wird die Polizeidirektion Hannover künftig in der Innenstadt ein besonderes rechtliches Instrument einsetzen: das langfristige Aufenthaltsverbot. Mit diesem Betretungsverbot sollen gewaltbereite und aggressive Straftäter, vor allem Mehrfachtäter, in den besonders problematischen Wochenendnächten aus der City Hannovers herausgehalten werden. "Der kontinuierliche Anstieg von Straftaten wie Raub, Körperverletzung, Nötigung, Bedrohung und Widerstand gegen die Staatsgewalt kann nicht mehr hingenommen werden", betont Polizeipräsident Uwe Binias. Gerade in Hannovers Innenstadt und insbesondere in den Nächten vor arbeitsfreien Tagen herrsche eine besondere Lage - und dieser werde die Polizei nun mit einer besonderen Maßnahme begegnen. Hannovers Polizeichef bekräftigt in diesem Zusammenhang auch nochmals die Bemühungen seiner Behörde, den Alkoholmissbrauch Jugendlicher und junger Erwachsener im öffentlichen Raum einzudämmen. Binias begrüßt es deshalb ausdrücklich, dass sich bei der nächsten großen Kontrollaktion in der City in der Nacht zum 11. Mai (Pfingstsonntag) vier Mitarbeiter der Landeshauptstadt beteiligen werden.
Nach den Erfahrungen aus dem polizeilichen Alltag und aus den jüngsten polizeilichen Großeinsätzen Ende Februar in der Innenstadt und am Vatertag im Bereich der Polizeiinspektion Garbsen lassen sich folgende Fakten zusammenfassen: - Die Innenstadt Hannovers mit mehr als 400 Lokalitäten, zwei Rotlichtbezirken, dem Verkehrsknotenpunkt des ÖPNV und der Drogenszene gleicht in den Wochenendnächten einer Partymeile. Diese lockt auch immer mehr gewaltbereite Straftäter an. - Übermäßiger Alkoholkonsum im öffentlichen Raum ist zwar auch ein Problem Jugendlicher, mehr noch aber eines der jungen Erwachsenen. - Gewalt- und Aggressionstaten nehmen seit Jahren zu, die Polizeiinspektion Mitte registrierte unter anderem einen dramatischen Anstieg bei den angezeigten Körperverletzungsdelikten: von 984 Fällen noch im Jahr 2005 über 1276 im Folgejahr auf nunmehr 1403 im Jahr 2007. Auch bei den anderen typischen Innenstadtdelikten wie Sachbeschädigung, Widerstand, Raub, Nötigung/Bedrohung steigen die Fallzahlen. - Die meisten dieser Straftaten geschehen in den Wochenendnächten, die Tatverdächtigen sind überwiegend junge Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren, viele stehen zur Tatzeit unter Alkoholeinfluss. 90 Prozent dieser Straftäter wohnen nicht in der City, sie suchen sie aber immer wieder auf - und jeder fünfte ermittelte Tatverdächtige ist als Wiederholungstäter einzustufen.
"Vor diesem Hintergrund haben wir außerdem festzustellen, dass die meisten ermittelten Straftäter keine unmittelbare staatliche Reaktion erleben", sagt der Polizeipräsident. "In kaum einem Fall von Körperverletzung oder auch gefährlicher Körperverletzung wird Untersuchungshaft angeordnet, und bis solche Fälle zur Anklage kommen, vergehen im Regelfall Monate." Somit sei es "keine Seltenheit, dass zum Beispiel ein Beschuldigter, der in der Nacht zu Freitag vor einer Innenstadtdiskothek eine Schlägerei angezettelt und in der Nacht zu Sonnaband bei einer Widerstandshandlung einen Polizeibeamten verletzt hat, am nächsten Wochenende wieder in der City unterwegs ist, um seinen Aggressionen freien Lauf zu lassen." Besonders Wiederholungstätern will die Polizei nun mit dem Betretungsverbot Einhalt gebieten, wobei die Maßnahme laut Binias, "konsequent, aber auch mit Augenmaß" eingesetzt werden soll.
Wie Polizeidirektor Olaf Gösmann, Leiter der für die Innenstadt zuständigen Polizeiinspektion Mitte erläutert, ist die Rechtsgrundlage für das Aufenthaltsverbot das
Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds.SOG):
§ 17 Platzverweisung, Aufenthaltsverbot (...) (4) Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen wird, so kann ihr für eine bestimmte Zeit verboten werden, diesen Bereich zu betreten oder sich dort aufzuhalten, es sei denn, sie hat dort ihre Wohnung. Örtlicher Bereich im Sinne des Satzes 1 ist ein Ort oder ein Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder auch ein gesamtes Gemeindegebiet. Die Platzverweisung nach Satz 1 ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken. (...)
- Für ein Aufenthaltsverbot kommen Personen infrage, die aufgrund eindeutiger Zeugen- und/oder Sachbeweise dringend tatverdächtig sind, im Innenstadtbereich ein Gewalt- oder Aggressionsdelikt begangen zu haben. Dazu zählen u.a. versuchter Totschlag, schwerer Raub und schwere Körperverletzung. In die stets erfolgende Einzelfallprüfung werden weitere in den vergangenen zwölf Monaten begangene Straftaten berücksichtigt. Die aktuelle Tat und gegebenenfalls Vorbelastungen müssen die Annahme rechtfertigen, dass die betreffende Person weitere Straftaten in der Innenstadt begehen wird. - Die Polizei wird Aufenthaltsverbote - abhängig von der Schwere der begangenen Tat oder der begangenen Taten - für eine Dauer von drei, sechs oder neun Monaten verhängen. Voraussetzung ist in jedem Fall eine aktuelle, also ab dem 10. Mai 2008 begangene Tat. Um einige Beispiele zu nennen. Sollte eine Person wegen versuchten Totschlags dringend tatverdächtig sein, so kann gegen sie ein neunmonatiges Aufenthaltsverbot verhängt werden, auch ohne Vortaten. Sollte jemand wegen gefährlicher Körperverletzung als überführt gelten und in den vergangenen zwölf Monaten schon einschlägig aufgefallen sein, so kommt ein sechsmonatiges Aufenthaltsverbot in Frage. Ist die aktuelle Tat eine Sachbeschädigung, und der Betreffende hat Vorerkenntnisse wegen Körperverletzung und Nötigung, so kann ein Aufenthaltsverbot von drei Monaten Dauer verhängt werden. - Das Aufenthaltsverbot gilt für den größten Bereich der Innenstadt und für einen kleinen Teil der Oststadt. In begründeten Ausnahmen wird von einem Aufenthaltsverbot abgesehen. Das gilt selbstverständlich, wenn der oder die Betreffende in der Innenstadt wohnt oder auch arbeitet, zum Beispiel als Kellner. Die Durchfahrt mit dem ÖPNV bleibt ebenfalls erlaubt. - Das Aufenthaltsverbot gilt nur für die Wochenendnächte, also an Freitagen und Samstagen, sowie an Tagen vor gesetzlichen Feiertagen. Es beginnt stets abends um 20 Uhr und endet um 6 Uhr des Folgetages. - Verstöße gegen das Aufenthaltsverbot können Ingewahrsamnahmen, Zwangsgelder oder auch Ersatzzwangshaft nach sich ziehen. Die Zwangsgelder werden auf 250 Euro beim ersten Verstoß, 500 Euro beim zweiten Verstoß und 750 Euro bei jedem weiteren Verstoß festgesetzt.
Polizeipräsident Binias betont abschließend, dass derartige Aufenthaltsverbote kein neues Instrument sind. In Hannover wird mit derartigen Maßnahmen auf Rechtsgrundlage des Nds. SOG bereits seit Jahren erfolgreich die offene Drogenszene bekämpft. In anderen Städten wie Celle, Peine und Soltau wird das langfristige Aufenthaltsverbot in jüngster Zeit auch zur Kriminalitätsbekämpfung genutzt. "In Hannover wollen wir jetzt unmittelbar und nachhaltig auf die Begehung schwerer Straftaten reagieren, Straftäter durch diese unmittelbare Reaktion beeindrucken, besonders Wiederholungstäter an Wochenenden aus der City fernhalten und so die Gewalt- und Aggressionskriminalität in der Innenstadt eindämmen." Der Großeinsatz am 10./11. Mai, bei dem eine Vielzahl von Polizeibeamten in Hannovers Innenstadt eingesetzt wird, soll somit gleichermaßen der Kriminalitätsbekämpfung wie auch der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs dienen.
Die Präsentation zur Pressekonferenz von Freitagnachmittag ist auf der Internetseite www.polizei.niedersachsen.de/dst/pdhan/ einzusehen.
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