POL-H: Wir veröffentlichen hier das Tischpapier zu unserem Pressegespräch von heute, 13.02.2012, 11:30 Uhr zu Thema: Rechte Straftaten und Gruppierungen in der Region Hannover
Hannover (ots)
Menschen mit Migrationshintergrund brauchen im Raum Hannover keine Sorge vor rechtsradikaler Gewalt zu haben. Gleichzeitig äußerte Polizeipräsident Axel Brockmann Verständnis für eine gewisse Beunruhigung in der Bevölkerung. Dennoch bleibt festzustellen: Fremdenfeindliche Gewaltdelikte oder auch nur Bedrohungen registriert die Polizei lediglich als "extreme Ausnahmefälle". Wegen diverser Umtriebe mit rechtsradikalem Hintergrund im Stadtgebiet Hannovers sieht Brockmann dennoch "aktuell Grund zur Wachsamkeit". Das erklärte der Behördenleiter heute vor Journalisten in Hannover. Zusammen mit dem neuen Leiter des Zentralen Kriminaldienstes, Kriminaldirektor Bernd Gründel, und dem Leiter der Polizeiinspektion Garbsen, Polizeidirektor Ulrich Knappe, informierte Brockmann die anwesenden Medienvertreter umfassend über das Phänomen Rechtsextremismus in der Region Hannover.
Es gibt etwa 50 Personen, die von der Polizei dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden. Dabei sind weder feste Strukturen erkennbar, noch sind sie besonders organisiert - zum Beispiel in Kameradschaften oder Organisationen wie den "Autonomen Nationalisten". "Wir kennen die Personen mit rechtem Gedankengut sehr genau und stehen ihnen besonders bei offenen Aktionen permanent auf den Füßen", betonte der Polizeipräsident. Durch polizeiliche Maßnahmen und regelmäßige Aufklärung der hannoverschen Gastronomie sei es zum Beispiel gelungen, den sogenannten "Stammtisch Nationaler Kräfte" zu verhindern. Noch 2009 hat dieses Treffen regelmäßig in der Stadt und im Umland stattgefunden. "Unsere Maßnahmen haben ganz klar dazu geführt, dass im Jahr 2010 lediglich noch eine Veranstaltung bekannt geworden ist. Im Jahr 2011 haben gar keine Treffen mehr stattgefunden. Auch andere regelmäßige Treffpunkte oder Veranstaltungsorte sind uns nicht bekannt", so der Polizeipräsident weiter. Bei den Personen mit rechtsextremistischem Gedankengut in der Region Hannover handelt es sich um sogenannte "Freie Kräfte", die mit ihren losen Personengeflechten ohne feste Strukturen eher erlebnisorientiert agieren und beispielhaft für die aktuellen Veränderungen innerhalb der rechten Szene Deutschlands stehen. Hierzu zählt auch die Gruppe "Besseres Hannover". Hinweise auf Verbindungen der rechtsterroristischen Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" kurz "NSU" (Thüringen) zu den Personen des rechtsextremen Spektrums in Hannover gebe es nicht, erklärte Brockmann.
Gewaltdelikte:
Die Anzahl der bekannt gewordenen rechtsmotivierten Straftaten im Raum Hannover war im Jahr 2010 mit 211 Delikten auf den niedrigsten Stand seit 2007 gefallen, erläuterte Kriminaldirektor Bernd Gründel. Entscheidend sei jedoch die sehr geringe Anzahl an - im weiteren Sinne - rechtsmotivierten Gewaltdelikten z.B. Körperverletzung. Hier wurden insgesamt zwölf Taten registriert. Die noch nicht freigegebene Kriminalstatistik für das vergangene Jahr lasse hier keine signifikanten Veränderungen erwarten. Auch im Jahr 2011 sind in diesem Deliktsbereich ausnahmslos Körperverletzungen aufgenommen worden. Zu den Opfern dieser Taten zählen viermal politisch linksoriertierte Personen, in zwei Fällen Deutsche und in einem weiteren Fall zwei Dänen im Rahmen eines Fußballspiels. Bei den restlichen Taten waren zwar "offensichtliche" Ausländer Opfer, die Fälle werden jedoch eher als Zufallsschlägereien bewertet, bei denen auch fremdenfeindliche Beleidigungen geäußert worden sind. Bis auf einen Vorfall sind für alle Taten Verdächtige ermittelt worden. In keinem dieser Fälle von Körperverletzung zählen zu den Tatverdächtigen polizeibekannte Angehörige der rechten Szene.
Herausragende Ereignisse:
Als "herausragende Ereignisse" beschrieb Gründel drei "öffentliche Propagandamaßnahmen" der Rechten: Am 03. Juni 2011 war es in Hannover-Kleefeld zu einem Fackelumzug gekommen, bei dem eine größere Personengruppe, mit weißen Masken maskiert, durch die Straßen zog. Dabei sollen Banner mitgeführt und Parolen gerufen worden sein. Die Polizei kontrollierte im näheren Umfeld 14 Personen, die augenscheinlich der rechten Szene zuzurechnen waren, unter anderem einen amtsbekannten 27-Jährigen aus Hannover, der der Gruppierung "Besseres Hannover" angehört. Alle anderen Personen stammten nicht aus Hannover und teilweise aus anderen Bundesländern. Anzeigen wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz waren die Folge. Gegen drei Beschuldigte wurde das Verfahren mittlerweile eingestellt, in elf Fällen ist bislang noch kein Urteil erfolgt. Ob "Besseres Hannover" maßgeblich an der Organisation des Fackelzuges beteiligt war, konnte bislang nicht geklärt werden.
Ein weiterer Vorfall sorgte am 15. Dezember 2011 für Aufsehen. Nach der Veröffentlichung eines Videos auf der Internetpräsenz von "Besseres Hannover", in dem ein sogenannter "Abschiebär" einen "Hitler-Gruß" vor einem türkischen Imbiss andeutete, erhielt die niedersächsische Sozialministerin eine E-Mail mit einem Link zu dem geschmacklosen Video. Nach Einleitung eines Strafverfahrens wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen konnte die Polizei einen 28-jährigen Hannoveraner als Tatverdächtigen identifizieren. Die Ermittlungen dazu dauern an.
Am Samstag, 11.02.2012, nahm die Polizei insgesamt 26 Personen der rechten Szene, zu einem Großteil bestehend aus Angehörigen der Gruppierung "Besseres Hannover", auf dem Opernplatz (Stadtteil Mitte) in Gewahrsam. Während einer Versammlung gegen ein multilaterales Handelsabkommen im Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen auf völkerrechtlicher Ebene ("Anti ACTA"), mischten sich die Personen unter die knapp 2 000 Versammlungsteilnehmer. Viele trugen provozierend selbstgebastelte Masken mit dem Gesicht des Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Hannover. Als die übrigen Versammlungsteilnehmer die "Rechten" erkannten, kam es zu verbalen Auseinandersetzungen und Rangeleien zwischen beiden Gruppierungen. Einige der rechtsmotivierten Personen hielten dabei auch Holzlatten in der Hand - sie dienten zuvor als Stange für ein Transparent - setzten diese jedoch nach polizeilichen Erkenntnissen nicht als Schlagwerkzeug ein. Gegen alle 26 leitete die Polizei Strafverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. Die Ermittlungen dazu dauern ebenfalls noch an.
Verbindungen zur Hooliganszene:
Der Leiter des Zentralen Kriminaldienstes erklärte weiter, dass von insgesamt sechs Angehörigen der rechten Szene Verbindungen zur hannoverschen Hooliganszene bzw. Ultraszene bekannt seien. Hierbei handele es sich jedoch um keine gezielte Unterwanderung, sondern nach hier vorliegenden Erkenntnissen um Kontakte, die durch persönliche Bekanntschaften begründet seien. Keine dieser Personen sei derzeit mit einem Stadionverbot belegt.
"Besseres Hannover":
Die Aktionen der Gruppierung "Besseres Hannover" haben die Ermittler derzeit besonders im Blick, betonte Gründel. Hierbei handelt es sich um ein loses Personengeflecht ohne feste Strukturen, dem die Polizei derzeit etwa 40 Personen mit rechtsextremem Gedankengut zuordnen kann. Die hauptsächlich männlichen Angehörigen - vier Frauen sind der Polizei bekannt - wohnen vorwiegend in der Landeshauptstadt Hannover. Anders als in früheren Zeiten lässt das äußere Erscheinungsbild der Gruppenmitglieder in der Regel keine Rückschlüsse auf die Zugehörigkeit zur rechten Szene zu. In unterschiedlicher Zusammensetzung und Anzahl nahmen Personen von "Besseres Hannover" im Jahr 2011 an Versammlungen der rechten Szene im gesamten Bundesgebiet teil. Auch bei Wahlkampfveranstaltungen und Versammlungen in Hannover wurden vereinzelt Angehörige festgestellt. Besonders im Fokus steht bei den Ermittlern derzeit die Verteilung von Flyern, dies unter Überschriften wie "Überfremdung", "Nationaler Sozialismus" oder der "Volkstodkampagne" sowie die Verteilaktionen der Zeitschrift "bock" im Umfeld von Schulen in der Stadt und im Umland. Gründel betonte zwar, dass nach Prüfung der Staatsanwaltschaft bislang keine strafrechtliche Relevanz in den aktuellen Schriftstücken festgestellt werden konnte, machte aber auch deutlich, dass die Polizei "die Machenschaften dieser Leute genau beobachtet. Sobald wir einen Anlass haben, schreiten wir mit aller Konsequenz ein". Beispielhaft nannte Gründel die Festnahme eines 24-Jährigen bei einer Verteilaktion vor einer Schule an der Seelhorststraße (Zoo) am 03.02.2012. Gegen den Mann hatte erst seit knapp 24 Stunden ein Haftbefehl wegen Gefährlicher Körperverletzung, Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie Missbrauch von Notrufen vorgelegen. Während der Verteilung wurde der Mann festgenommen und dann einem Richter vorgeführt, unterstrich Gründel das konsequente Vorgehen seiner Beamten.
"Rädelsführer":
Obwohl es sich bei der Gruppe "Besseres Hannover" um sogenannten "Freie Kräfte" ohne besondere Struktur und Hierarchien handelt, haben die Polizisten drei Männer festgestellt, die man laut Gründel als Rädelsführer mit besonderem Engagement bezeichnen könne. Alle drei haben polizeiliche Erkenntnisse wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Zu ihnen gehört unter anderem der 24-jährige Festgenommene, der zudem polizeiliche Erkenntnisse wegen Körperverletzungsdelikten, Bedrohung, Sachbeschädigung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz hat. Außerdem ist er als Verantwortlicher für die aktuelle Ausgabe des "bock" in Erscheinung getreten. Besonders hervorgetan hat sich zudem ein 28-jähriger Hannoveraner. Der Mann wird unter anderem verdächtigt, der Verfasser der E-Mail an die niedersächsische Sozialministerin gewesen zu sein - in der Mail wurde ein Link zu einem Video auf der Internetseite "Besseres Hannover" verschickt. Zudem gibt es über ihn polizeiliche Erkenntnisse wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, Beleidigung und Sachbeschädigung. Als dritten Rädelsführer bezeichnete der Kriminaldirektor einen 26-Jährigen aus Hannover. Auch gegen ihn ermittelte die Polizei bereits wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz. Alle drei wurden in den vergangenen Wochen regelmäßig bei der Verteilung des "bock" angetroffen und kontrolliert. Seit 2009 hat die Polizeidirektion Hannover 22 Strafverfahren gegen unbekannte oder bekannte Täter mit Bezug zur Gruppierung "Besseres Hannover" eingeleitet. In erster Linie handelte es sich dabei um so genannte Propagandadelikte sowie Sachbeschädigungen durch Farbschmierereien. Herausragende Delikte waren: Eine Gefährliche Körperverletzung in der U-Bahnstation Kröpcke am 01.01.2010 durch zwei 19 und 24 Jahre alte Angehörige der Gruppe zum Nachteil eines 18-jährigen Antifa-Aktivisten. Die Urteile in dem Fall: Ein Jahr Jugendstrafe für den Haupttäter, acht Monate Freiheitsstrafe für den Mittäter, jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Am 05.03.2010 kam es am Kantplatz (Kleefeld) zur Störung einer Mahnwache für Opfer rechter Gewalt durch etwa 30 "Rechte". Gegen 26 Personen wurde ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet, acht Personen gehören der Gruppierung "Besseres Hannover" an. Insgesamt acht der festgestellten Personen wurden zu Geldstrafen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verurteilt.
Rechtsmotivierte Straftaten im Bereich Barsinghausen / Treffpunkt "Falkenkeller":
In den letzten Monaten haben Medien vermehrt über das Auftreten rechtsextremistischer Personen im Bereich Barsinghausen berichtet. Häufig war auch der "Falkenkeller" - ein Treffpunkt politisch linksorientierter Personen - in diesem Zusammenhang in die Schlagzeilen geraten. Polizeidirektor Ulrich Knappe, Leiter der Polizeiinspektion Garbsen, fasste aus diesem Grunde die Situation so zusammen: "In Barsinghausen gibt es keine verfestigten rechtsextremistischen Strukturen". Tatsächlich gibt es zehn Personen im Alter von 17 bis 25 Jahren, allesamt wohnhaft in Barsinghausen und Umgebung, die eine mehr oder minder ausgeprägte rechte Einstellung haben. Zu dieser Personengruppe gesellen sich an den S-Bahnhöfen in und um Barsinghausen an den Wochenenden häufig weitere - weitestgehend völlig unpolitische - Jugendliche oder junge Erwachsene, um zu feiern. So kann leicht der Eindruck einer größeren, geschlossenen rechten Szene entstehen, erläuterte Knappe weiter. Für Barsinghausen kann ganz klar festgestellt werden, dass es keinerlei Gewaltstraftaten gegen Ausländer oder Deutsche mit ausländischen Wurzeln gab, betonte der Inspektionsleiter. Die Polizei ermittelte lediglich in vier Fällen wegen Körperverletzungsdelikten zwischen den Angehörigen der rechten und der linken Szene. Nach polizeilichen Erkenntnissen waren diese Auseinandersetzungen in keinem Fall geplant. Die Konfrontationen sollen sich dabei immer aufgrund von gegenseitigen Provokationen spontan ergeben haben. Dabei scheinen nach Ansicht des Polizeidirektors eher persönliche Feindschaften - alle Kontrahenten stammen aus dem Bereich Barsinghausen und kennen sich teilweise bereits aus Schulzeiten - eine größere Rolle zu spielen, als die politische Einstellung.
Fazit:
Abschließend machte Polizeipräsident Axel Brockmann noch einmal deutlich: "Wir haben in der Region Hannover keine Häufung rechter Gewaltkriminalität festzustellen." Es gebe keine verfestigten rechtsextremistischen Strukturen in unserem Zuständigkeitsbereich - etwa im Sinne einer "Kameradschaft". "Besseres Hannover" ist für den Polizeipräsidenten eine "unsägliche Erscheinung eine Gruppe Verblendeter, die mit Argumenten kaum noch zu erreichen sein dürften". Daher so Brockmann weiter, werde die Polizei der Gruppierung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln sowohl präventiv als auch repressiv entgegen treten. Brockmann: "Die Verteilung von rechtsgerichteten Pamphleten, das Versenden von fremdenfeindlichen E-Mails, das Verbreiten von Internetvideos ist an sich schon schlimm, bekommt aber mit der aktuellen Situation des bekannt gewordenen Rechtsterrorismus in Deutschland und der zehn unfassbaren Morde noch eine ganz andere Dimension. Auch wenn diese Gruppierung offenbar gut beraten ist und peinlich genau darauf achtet, sich gerade noch außerhalb des strafbaren Handelns zu bewegen, so kündige ich an: Wir werden dieser Gruppe, diesem Häuflein Rechtsradikaler und Neonazis, auf den Füßen stehen, wo immer wir von ihrem Auftreten erfahren."/ schie
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