POL-GOE: (588/2007) Antwort des Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Göttingen Hans Wargel auf den offenen Brief von Vertretern des Bündnisses "Göttingen zeigt Gesicht" vom 10. Mai 2007
Göttingen (ots)
Göttingen Montag, 15. Mai 2007
Nachfolgend der Wortlaut der Antwort von Polizeipräsident Wargel:
Sehr geehrte Vertreter des Bündnisses "Göttingen zeigt Gesicht",
die von Ihnen mit Schreiben vom 10.05.2007 vorgebrachten Vorwürfe bezüglich einer "illegalen Observation" durch die Polizei weise ich zurück.
Die Polizeidirektion Göttingen war durch ein Faltblatt mit der Überschrift "Kultur gegen Rechts" auf die für den 08.05.2007 geplante Veranstaltung "Antifaschistischer Stadtrundgang - Göttingen und seine Universität im Nationalsozialismus" aufmerksam geworden. Aus dem Faltblatt ging hervor, dass die Veranstaltung im Rahmen einer vom 06. bis zum 11.05.2007 geplanten "Aktionswoche Kultur gegen Rechts" stattfinden sollte. Initiator der "Kulturwoche" war laut Faltblatt das "Bündnis gegen Rechts". Der Start des in Rede stehenden Stadtrundgangs war am 08.05.2007 für 18.30 Uhr am "Gänseliesel" auf dem Göttinger Marktplatz vorgesehen. Über die Anzahl der Teilnehmer und den Verlauf der Veranstaltung lagen der Polizei im Vorfeld keine präzisen Angaben vor. Es war deshalb zunächst zu klären, ob es sich um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (VersG) handelte. Eine solche Versammlung hätte gemäß § 14 VersG angemeldet werden müssen. Eine Nachfrage bei der Stadt Göttingen als zuständiger Versammlungsbehörde ergab, dass dort keine entsprechende Anmeldung eingegangen war. In dem Faltblatt war die Gruppierung "Antifaschistische Linke International (A.L.I.)" als Mitveranstalter aufgeführt. Die A.L.I. ist nach polizeilichen Erkenntnissen der gewaltbereiten autonomen Szene Göttingens zuzurechnen. Somit war aufgrund des gesetzlichen Auftrages zur Gefahrenabwehr eine Inaugenscheinnahme der Veranstaltung durch die Polizei vor Ort geboten. Hierzu waren am 08.05.2007 Beamte des Staatsschutzkommissariates der Polizeiinspektion Göttingen am Marktplatz. Die Beamten kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Veranstaltung nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes handelte. Wenn es eine Versammlung gewesen wäre, hätte sie gemäß § 14 VersG angemeldet werden müssen. Wer als Veranstalter oder Leiter eine nicht angemeldete Versammlung durchführt, begeht eine Straftat gemäß § 26 Nr. 2 VersG.
Da offensichtlich keine nicht angemeldete Versammlung vorlag und auch sonstige Straftaten und Gefahren, die von der Veranstaltung ausgingen oder ihr drohten, feststellbar waren, wurde die Beobachtung unverzüglich beendet. Eine Kontaktaufnahme mit dem Vertreter der Veranstalter vor Ort war polizeilich nicht erforderlich. Eine gesetzliche Legitimationspflicht bestand mangels Anwendbarkeit des Versammlungsgesetzes nicht. Fotoaufnahmen und "Aufzeichnungen über die Führung" wurden von den Einsatzkräften nicht gefertigt.
Bei den im Rahmen der Gefahrenerforschung vor Ort getroffenen polizeilichen Maßnahmen handelte es sich keineswegs, wie von Ihnen behauptet, um eine "illegale Observation". Die Einsatzkräfte hielten sich etwa 20 Meter abgesetzt von den Teilnehmern der Veranstaltung auf und waren somit für diese wahrnehmbar. Diese kurzfristige offene Beobachtung der Veranstaltung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 1, 11 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Versammlungsrechtliche Bestimmungen waren nicht einschlägig.
Unter Bezugnahme auf die in Ihrem Schreiben aufgeworfene Frage, kann ich Ihnen antworten, dass in Göttingen das Versammlungsgesetz selbstverständlich gilt und von der Polizei beachtet und geschützt wird.
Wenn Sie als Vertreter des Bündnisses den Stadtrundgang entgegen der Bewertung der vor Ort eingesetzten Polizeikräfte nachträglich als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes qualifizieren, so hätten Sie diese Versammlung entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 14 VersG bei der Stadt Göttingen spätestens 48 Stunden vor Beginn anmelden müssen. Eine nochmalige Nachfrage bei der Stadt Göttingen am heutigen Tage ergab, dass eine Anmeldung nicht vorliegt.
Aufgrund Ihres Hinweises prüfen wir derzeit, ob nicht doch eine Versammlung vorlag. Sollte sich dieses bestätigen, ist zu prüfen, ob wegen der Nichtanmeldung ein strafbares Verhalten gegeben ist. Hierzu ist die Polizei aufgrund des bestehenden Strafverfolgungszwanges (Legalitätsprinzip) aus § 163 Strafprozessordnung verpflichtet. Zur abschließenden Bewertung, ob hier eine Straftat vorlag, wird der Vorgang nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Göttingen vorgelegt.
Ihren nicht unterschriebenen Brief habe ich am 14.05.2007 in den Nachmittagsstunden erhalten. Am gleichen Tage sind bei meiner Pressestelle Anfragen verschiedener Zeitungsredaktionen und Rundfunkanstalten eingegangen, denen ganz offensichtlich Ihr Schreiben an mich im Wortlaut bekannt war. Ich gehe daher davon aus, dass es sich um einen offenen Brief handelt und versende meine Antwort ebenfalls öffentlich.
Mit freundlichen Grüßen gez. Wargel Polizeipräsident
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