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POL-GÖ: (69/2022) Schockanrufe, Falsche Polizeibeamte und Co. - Polizeiinspektion Göttingen richtet spezielle Ermittlungsgruppe "SäM Südniedersachen" im Zentralen Kriminaldienst ein

POL-GÖ: (69/2022) Schockanrufe, Falsche Polizeibeamte und Co. - Polizeiinspektion Göttingen richtet spezielle Ermittlungsgruppe "SäM Südniedersachen" im Zentralen Kriminaldienst ein
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Göttingen (ots)

GÖTTINGEN (jk) - Seit dem 1. Januar 2022 gibt es im 3. Fachkommissariat des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeiinspektion (PI) Göttingen eine neue spezielle Ermittlungsgruppe. Die EG "SäM" befasst sich mit sog. "Straftaten zum Nachteil älterer Menschen". Schon anhand der Bezeichnung wird deutlich, auf wen es Täterinnen und Täter der hier zu bearbeitenden Delikte hauptsächlich abgesehen haben. Es sind die älteren Menschen unserer Gesellschaft, die im Bereich einiger Kriminalitätsphänomene immer mehr zur Zielscheibe werden. Um an das Geld ihrer Opfer zu kommen, bedienen sich Täter inzwischen einer Vielzahl von unterschiedlichen Vorgehensweisen. Schockanrufe, Falsche Polizeibeamte oder auch Wasserwerker sind nur einige Beispiele für die perfiden Methoden, mit denen die Betrüger vorgehen.

Das Gesamtstraftatenaufkommen im Zuständigkeitsbereich der PI Göttingen lag im Jahr 2020 bei 925 Versuchs- und 466 vollendeten Taten. Der verursachte Gesamtschaden betrug mehr als eine Million Euro. Im Jahr davor (2019) waren es 893 Versuche und 580 vollendete Delikte.

Ein Abbruch der besorgniserregenden Entwicklung ist nicht in Sicht. Für das Jahr 2021 zeichnen sich Fallzahlen auf einem weiterhin unverändert hohen Niveau ab. Tendenz weiter steigend!

Die Ermittlungsgruppe "SäM"

"Unsere aus vier Beamten*innen bestehende EG ermittelt nicht nur fallbezogen, sondern führt sog. Strukturermittlungen durch, um die kriminellen Vernetzungen offenzulegen und neue Ansätze für Ermittlungen und Prävention zu entwickeln. Dabei unterstützen sie als Phänomen-Speziallisten gleichzeitig operative Vorgänge. Zunächst erscheint der Begriff SäM irreführend. Zum geschädigten Personenkreis zählen dabei Menschen über 60 Jahren, die durch klassische Call-Center-Delikte betroffen sind. Nicht jede Straftat gehört daher in den Bereich unserer Ermittlungsgruppe. Vorrangig behandelte Straftaten der EG "SäM Südniedersachsen" sind der Enkeltrick, falsche Polizeibeamte oder Schockanrufe. Es ist natürlich nicht einfach, den international vernetzten Tätern habhaft zu werden. Diese sind technisch gut ausgestattet, allerdings sind wir das inzwischen auch! Mit zeitgemäßer technischer Ausstattung, persönlichem Knowhow, einer großen Portion Idealismus und langwieriger klassischer Ermittlungsarbeit, erzielen wir hier Erfolge", sagt Kriminaldirektor Oliver Tschirner, Leiter des Zentralen Kriminaldienstes.

Die Vorgehensweisen der Täter, beschrieben von EG-Leiter Björn Wiesbaum

Der "Enkeltrick"

Der Enkeltrick - Bei den Tätern nie aus der Mode gekommen und seit zirka 5 Jahren eine beliebte Vorgehensweise der Täter. Hierbei werden vorrangig Menschen angerufen, die von Namen her als ältere Personen identifiziert werden können. Die Nummern werden dabei i.d.R. aus dem Telefonverzeichnis entnommen. "Hallo ich bin´s." Ein vermeidbarer Fehler ist dann zu fragen: "Max bist Du es? Die Verbindung ist so schlecht." Schon in diesem Moment bekommen die Täter erste Informationen zum Familienkreis, ohne dass sie es bemerken. Die Geschädigten fragen sich hinterher meist, woher so viel Wissen über die eigene Familie kommt. Dies haben die Täter jedoch nicht. Über gut durchdachte Gesprächsstrukturen, schaffen es die gerissenen Gesprächspartner im laufenden Gespräch, immer mehr private Informationen zu erlangen. Wenn erstmal der Irrtum erregt wurde es handelt sich um das Enkelkind oder einen anderen näheren Verwandten, haben die Täter bei den hilfsbereiten älteren Menschen leider überwiegend leichtes Spiel. Es wird dann zum Beispiel von einer finanziellen kurzfristigen Notsituation berichtet und gebeten bis morgen auszuhelfen, z. B. bei einem Immobilienkauf. Da man aber selbst beim Notar sitzt, schickt man eine Vertrauensperson, um das Geld abzuholen. Hohe Summen werden so häufig an Dritte weitergegeben, ohne das Vorhaben zu hinterfragen.

Der "Falsche Polizeibeamte"

Das unerschütterliche Vertrauen in die Instanz der Polizei wird hierbei, zum Beispiel durch falsche Anrufe, ausgenutzt. Ein angeblicher Polizist schildert einen Vorfall von einer Einbrecher-Bande. Die Kontaktdaten der Angerufenen wurden gefunden und da einige Täter entkommen konnten, wird die Sorge um eventuelle Wertgegenstände vorgeheuchelt. Es wird daraufhin die amtliche Verwahrung angeboten, bis die vermeintlichen Täter festgenommen wurden. Häufig wird dabei angeboten, die Wertsachen durch einen (falschen) Polizeibeamten abholen zu lassen oder sie einfach in einer Tüte vor der Tür zu deponieren.

Der "Schockanruf"

Meist wird bei dieser Tatbegehungsform eine gesundheitliche Notsituation vorgetäuscht. Gerade zur aktuellen pandemischen Lage kamen Fälle vor, in denen zum Beispiel für die Behandlung eines Verwandten teure Medikamente benötigt wurden. Anrufe erfolgte durch angebliche Mediziner oder die falschen Verwandten selbst, die jedoch nicht verstanden wurden.

Seit zirka einem Jahr finden vermehrt Kombinationen aus den folgenden Betrugsvarianten statt:

Es meldet sich ein angeblicher Angehöriger: "Hilf mir, ich habe jemanden totgefahren und bin hier bei der Polizei." Dann meldet sich sofort ein angeblicher Polizeibeamter der behauptet, der Angehörige müsste jetzt in Haft, schließlich habe er/sie einen Menschen totgefahren. Wenn man genauer nachfragt, wird diese Frage forsch unterbunden. Dann übernimmt eine sehr einfühlsame/sympathische Kollegin, beruhigt die Situation und bittet zur Vermeidung der Haft um eine Kaution.

Zunächst sei hier ganz deutlich angemerkt: Es gibt in der deutschen Strafprozessordnung KEINE Kaution!

Häufig werden in diesem Zusammenhang auch Kontakte zu Obrigkeiten wie Staatanwälten oder Strafverteidigern der Angehörigen vorgetäuscht, um die Situationen dramatischer und glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Zur Geldübergabe wird man dann i. d. R. in die Nähe der örtlichen Staatsanwaltschaft oder einem Gerichtsgebäude bestellt, wo ein angeblicher Mitarbeiter das Geld abholt, um es einzuzahlen. Variationen der Geschichten und Vorgehensweisen der Täter sind immer möglich, sogar wahrscheinlich. Um mehr Glaubhaftigkeit zu erzeugen, wird häufig angeboten die 110 anzurufen und sich die Richtigkeit bestätigen zu lassen. Aber dabei wird nicht aufgelegt, sondern dies nur vorgegaukelt und ein anderer Täter meldet sich, bestätigt die Geschichte und verbindet wieder mit dem angeblichen Kollegen. Einfach zu merken ist der Grundsatz: Nicht am Telefon! Dies soll schlicht heißen, dass Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht persönliche Datenfragen und finanzielle Dinge niemals telefonisch regeln. Hierzu wird immer der persönliche Kontakt hergestellt. Die echten Staatsdiener können sich ausweisen und über die echte 110 legitimieren lassen. Ein guter Hinweis: Stellen Sie die Verbindung zur 110 selbst her und hinterfragen Sie ihre Handlungen, rät Polizeikommissar Wiesbaum, Leiter der EG.

Wer sind die Täter?

Bei den Tätern handelt es sich meist um organisierte Banden. Der Lockvogel, polizeilich auch "Keiler" genannt, agiert i. d. R. aus dem Ausland, überwiegend aus einem Call-Center. Vor Ort gibt es die sog. "Abholer". Dies sind nach unserer Erfahrung meist Kleinkriminelle, die nicht wissen was sie abholen, aber das größte Risiko für einen moderaten Lohn tragen. Häufig handelt es sich nicht um örtlich ansässige, sondern um überörtliche, reisende Täter.

Breit aufgestellte Prävention soll Taten verhindern

Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Polizei bundesweit mit dem Phänomen der Trickbetrügereien am Telefon durch Schockanrufe, falsche Enkel, falsche Polizeibeamte, falsche Gewinnversprechen und andere Modi Operandi.

Dies stellt auch einen Schwerpunkt in der Präventions- und Ermittlungsarbeit innerhalb der Polizeiinspektion Göttingen dar. So wurden in den vergangenen zwei Jahren mehrere Maßnahmen entwickelt, mit denen die Personen sensibilisiert und unterstützt werden sollten, die die einzigen Kontakte zu potenziellen Opfern vor der Geldabholung haben. Mitarbeiter*innen in Geldinstituten und Taxiunternehmen. Neben mannshohen Aufstellern in Geldinstituten und speziellen Kuverts für Bargeldauszahlungen wurden als weitere Stufe Ende Oktober vergangenen Jahres Warn-Aufkleber für Taxis entwickelt, die mit Unterstützung der Göttinger Funktaxi-Zentrale in den innerstädtischen Taxis angebracht wurden. Mit Erfolg, wie sich nun herausstellt.

Bereits zwei Fälle konnten mit Hilfe dieser Aufkleber und dem aufmerksamen Verhalten von Taxifahrer*innen verhindert werden. Besonders resolut verhielt sich eine Fahrerin, die kurzerhand das Telefon einer Rentnerin übernahm und so die Geldübergabe erfolgreich verhinderte.

Marko Otte, Beauftragter für Kriminalprävention der PI Göttingen, sagt hierzu: "Ich bin absolut begeistert von dem Engagement und dem Selbstbewusstsein der Taxifahrer*innen. Und wie mir berichtet wurde, ist es ein gutes Gefühl, eine solche Tat hautnah verhindert zu haben. Zumal wir doch alle in Familie und Bekanntenkreis Menschen haben, die schon in diesem Moment von den Tätern angerufen werden könnten." Aus diesem Grund sind auch für 2022 weitere Präventionsmaßnahmen geplant. "Wir werden nicht müde, gegen diese Täter vorzugehen", so Marko Otte.

Rückfragen bitte an:

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Jasmin Kaatz
Otto-Hahn-Straße 2
37077 Göttingen
Telefon: 0551/491-2017
Fax: 0551/491-2010
E-Mail: pressestelle@pi-goe.polizei.niedersachsen.de
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