Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA)
GBA: Anklage gegen zwei mutmaßliche Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes wegen der Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit u.a. erhoben
Karlsruhe (ots)
Die Bundesanwaltschaft hat am 22. Oktober 2019 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Koblenz Anklage gegen
den syrischen Staatsangehörigen Anwar R. und den syrischen Staatsangehörigen Eyad A.
erhoben.
Der Angeschuldigte Anwar R. ist hinreichend verdächtig, mittäterschaftlich ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 5 und Nr. 9 VStGB, § 25 StGB). Im Zusammenhang hiermit wird ihm darüber hinaus Mord in 58 Fällen (§ 211 StGB), Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 gültigen Fassung) zur Last gelegt.
Hinsichtlich des Angeschuldigten Eyad A. besteht der hinreichende Tatverdacht der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 1, 7 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 9 VStGB, § 27 StGB).
In der nunmehr zugestellten Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:
Spätestens seit Ende April 2011 ging das syrische Regime dazu über, sämtliche regierungskritischen Aktivitäten der Opposition flächendeckend mit brutaler Gewalt zu unterdrücken. Den syrischen Geheimdiensten kam dabei eine wesentliche Rolle zu. Das Ziel war es, mit Hilfe der Geheimdienste die Protestbewegung bereits zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu unterbinden und die Bevölkerung einzuschüchtern. Die beiden Angeschuldigten gehörten dem syrischen Allgemeinen Geheimdienst an, konkret der für die Sicherheit im Raum Damaskus zuständigen Abteilung 251.
Anwar R. leitete deren sogenannte Ermittlungseinheit mit einem daran angeschlossenen Gefängnis. In dem Zeitraum von Ende April 2011 bis Anfang September 2012 mussten dort mindestens 4.000 Gefangene bei ihrer Vernehmung brutale und massive Folter durch Mitarbeiter des Angeschuldigten über sich ergehen lassen. Mindestens 58 Personen verstarben in Folge der Misshandlungen. Bei den Vernehmungen kam eine Vielzahl von Foltermethoden zum Einsatz: Neben Schlägen mit Fäusten, Stöcken, Rohren, Kabeln, Peitschen und Schläuchen stand auch die Verabreichung von Elektroschocks auf der Tagesordnung. Außerdem wurden einzelne Inhaftierte an den Handgelenken so an der Decke aufgehängt, dass ihre Zehenspitzen gerade noch den Boden berührten, wobei die Opfer auch in dieser Position weiter geschlagen wurden. Auch Androhungen, nahe Angehörige zu misshandeln, und gewaltsamer Schlafentzug über mehrere Tage wurden als Folterinstrumente eingesetzt. Darüber hinaus kam es zumindest in jeweils einem Fall zu einer Vergewaltigung und einer schweren sexuellen Nötigung. Die systematischen brutalen physischen und psychischen Misshandlungen dienten dazu, einerseits Geständnisse zu erzwingen und andererseits weitere Informationen zu der Oppositionsbewegung zu erlangen. Auch außerhalb der Vernehmungen waren die Inhaftierten willkürlichen körperlichen Misshandlungen der Wärter ausgesetzt. In dem Gefängnis herrschten zudem unmenschliche und erniedrigende Haftbedingungen. Den Häftlingen wurde durchgängig jegliche medizinische Versorgung vorenthalten. Des Weiteren wurden sie in stark überfüllte Zellen eingesperrt, wodurch es ihnen oftmals nicht möglich war, sich hinzusetzen oder hinzulegen. Der Angeschuldigte Anwar R. bestimmte und überwachte als Leiter der Ermittlungseinheit die Arbeitsabläufe in dem Gefängnis und hierbei auch den Einsatz der systematischen und brutalen Folterungen. Ihm war auch bewusst, dass Häftlinge aufgrund der massiven Gewalteinwirkungen verstarben.
Der Angeschuldigte Eyad A. war in einer Unterabteilung beschäftigt, die der Ermittlungseinheit des Anwar R. zuarbeitete. Im Herbst 2011 ermöglichte er die Folterung und Freiheitsberaubung von mindestens 30 Menschen. In der Stadt Douma fand zu diesem Zeitpunkt eine Demonstration statt, die von den Sicherheitsbehörden mittels Waffengewalt aufgelöst wurde. Im Anschluss hieran verfolgten Eyad A. und andere Geheimdienstmitarbeiter die fliehenden Demonstranten. Diejenigen, die nicht entkommen konnten, wurden festgenommen und unter anderem in das von Anwar R. geleitete Gefängnis verbracht. Eyad A. begleitete den Transport in einem der Busse. Die so dem Gefängnis zugeführten mindestens 30 Zivilisten waren im Verlauf ihrer Inhaftierung schweren Misshandlungen ausgesetzt, wobei Eyad A. bereits vor der Festnahme der Demonstranten Kenntnis von den in der Haftanstalt praktizierten systematischen und brutalen Foltermethoden gehabt hatte.
Anwar R. verließ Syrien Ende 2012 und reiste im Juli 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Eyad A. kam im April 2018 nach Deutschland. Er hatte Syrien bereits im Februar 2013 verlassen.
Die Angeschuldigten befinden sich derzeit in Untersuchungshaft (vgl. Pressemitteilung Nr. 8 vom 13. Februar 2019).
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