Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA)
GBA: Festnahme von vier mutmaßlichen Mitgliedern einer syrischen Miliz sowie eines mutmaßlichen Mitarbeiters des syrischen Geheimdienstes wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen
Karlsruhe (ots)
Die Bundesanwaltschaft hat heute (3. Juli 2024) aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 6. Juni 2024
die staatenlosen syrischen Palästinenser
Jihad A.
Mahmoud A. Sameer S. und Wael S.
sowie den syrischen Staatsangehörigen
Mazhar J.
festnehmen lassen. Die Festnahmen von Jihad A., Mazhar J. und Sameer S. erfolgten in Berlin; Mahmoud A. wurde in Frankenthal (Pfalz), Wael S. bei Boizenburg (Mecklenburg-Vorpommern) festgenommen. In Essen wurden die Räumlichkeiten eines weiteren, auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten durchsucht.
Die festgenommenen Beschuldigten sind der Tötung und versuchten Tötung von Zivilisten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB, §§ 22, 23 StGB) dringend verdächtig. Mahmoud A., Mazhar J., Sameer S. und Wael S. wird daneben Folter (§ 7 Abs. 1 Nr. 5, § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB) vorgeworfen, im Falle von Mahmoud A. und Mazhar J. zusammen mit Freiheitsberaubung (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 VStGB). Mahmoud A. soll zudem Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form der Freiheitsberaubung mit Todesfolge (§ 7 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 3 VStGB) sowie Kriegsverbrechen gegen Eigentum (§ 9 Abs. 1 VStGB) begangen haben.
In den Haftbefehlen wird den Beschuldigten im Wesentlichen folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
Spätestens seit Ende April 2011 ging das Regime in Syrien mit zunehmend brutaler Gewalt gegen Kritiker im Land vor. Das Ziel war es, die damalige Protestbewegung bereits zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu unterdrücken und die Bevölkerung einzuschüchtern. Hierzu wurden überall im Land tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle inhaftiert, gefoltert und häufig getötet. Anfang 2012 weiteten sich die Spannungen in Syrien zu einem großflächigen Bürgerkrieg aus, bei dem sich insbesondere die staatlichen syrischen Kräfte und bewaffnete oppositionelle Gruppierungen bekämpften.
Jihad A., Mahmoud A., Sameer S. und Wael S. gehörten spätestens ab dem Frühjahr 2011 in Syrien der bewaffneten Miliz "Free Palestine Movement" (FPM) an. Die Miliz übte seinerzeit im Auftrag des syrischen Regimes die Kontrolle über Al Yarmouk aus. Dieses Stadtviertel in Damaskus war aus einem palästinensischen Flüchtlingslager entstanden und überwiegend von Palästinensern bewohnt. Ab Juli 2013 riegelte das syrische Regime Al Yarmouk vollständig ab. In der Folge kam es unter den Bewohnern zu einem Mangel an Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung. Die FPM kooperierte eng mit dem syrischen Militärischen Geheimdienst, insbesondere dessen Abteilungen 227 und 235. Der Beschuldigte Mazhar J. war Mitarbeiter von Abteilung 235, der sogenannten Palästina-Abteilung.
Alle Beschuldigten beteiligten sich am 13. Juli 2012 in Al Yarmouk an der gewaltsamen Niederschlagung einer friedlichen Demonstration gegen die syrische Regierung. Dabei schossen sie zusammen mit anderen Mittätern gezielt auf Demonstranten. Mindestens sechs Personen verstarben an ihren Verletzungen, weitere Opfer wurden zum Teil erheblich verletzt.
Überdies misshandelten Mahmoud A., Mazhar J., Sameer S. und Wael S., zum Teil wiederholt, Zivilisten aus Al Yarmouk massiv körperlich. Die Vorfälle trugen sich zwischen Mitte 2012 und 2014 unter anderem an Checkpoints zu, welche die FPM und andere regimetreue Milizen zum Betreten oder Verlassen des Stadtviertels eingerichtet hatten. Die Opfer wurden mit Fäusten und Gewehrkolben gegen den Kopfbereich geschlagen oder mit Fußtritten traktiert. Mahmoud A. händigte eine betroffene Person dem syrischen Militärischen Geheimdienst zur Inhaftierung und Folterung aus. Überdies zwang er an einem Checkpoint eine Frau, auch unter Androhung einer Vergewaltigung, ihren minderjährigen Sohn gegen Übergabe von Familienschmuck auszulösen. Mazhar J. veranlasste ebenfalls die Festnahme eines Mannes und misshandelte das Opfer eigenhändig im Gefängnis der Abteilung 235.
Am 16. April 2013 richteten Mitglieder der Geheimdienstabteilung 227 im Damaszener Stadtteil At-Tadamon bei einer geplanten Massenexekution mindestens 41 Zivilisten hin. Drei der Opfer waren kurz zuvor von Mahmoud A. und anderen Mittätern an einem Checkpoint in Al Yarmouk festgenommen und an die Abteilung 227 übergeben worden.
Mit den Ermittlungen sind das Landeskriminalamt Berlin und das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz beauftragt. Für die heutigen Festnahmen und Durchsuchungen waren zudem Beamte der Landeskriminalämter Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Einsatz. Sie wurden vom Bundeskriminalamt sowie von Europol unterstützt. Drei weitere mutmaßliche FPM-Mitglieder, die sich unter anderem an der Niederschlagung der Demonstration in Al Yarmouk am 13. Juli 2012 beteiligt haben sollen, wurden zeitgleich in Schweden festgenommen. Das Verfahren gegen diese Personen wird von der schwedischen nationalen Staatsanwaltschaft geführt. Die Ermittlungen wurden im Rahmen der gemeinsamen Ermittlungsgruppe "Caesar" koordiniert.
Die in Deutschland festgenommenen Beschuldigten werden heute und morgen dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der ihnen den Haftbefehl eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.
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Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA)
Dr. Ines Peterson
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