Polizeipräsidium Mittelfranken
POL-MFR: (474) "Operation Südwind": Drogennetzwerk in Westmittelfranken zerschlagen; 27 Haftbefehle - 110 Tatverdächtige
Ansbach (ots)
Gemeinsamer Pressebericht der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizeiinspektion Ansbach vom 12. März 2008
Drogenfahnder der Kriminalpolizei Ansbach und Justiz konnten nach aufwändigen Ermittlungen ein weit verzweigtes Drogennetzwerk zerschlagen. Die vorläufige Bilanz des unter "Operation Südwind" laufenden Ermittlungskomplexes: 101 Männer sowie neun Frauen stehen im Verdacht, Rauschgift erworben oder im großen Stil verkauft zu haben. Gegen 27 Drogendealer hat das Amtsgericht Haftbefehl erlassen. Es handelt sich um das umfangreichste Rauschgiftverfahren der letzten Jahre in Westmittelfranken.
Den Stein ins Rollen brachte Anfang September 2007 die Aussage eines jungen Mannes nach einem gewalttätigen Überfall, der sich als "Abrechnung" nach einem Rauschgiftgeschäft in der Gunzenhausener Drogenszene entpuppte: Um noch ausstehende Zahlungen einzufordern, trat ein Dealer die Wohnungstür ein, bedrohte sein Opfer und schlug ihm - wie sich später herausstellte - mit einer Schreckschusswaffe gegen den Kopf. Nachdem der Eindringling einen Schuss abgegeben hatte, ließ er sich ein Mischpult, eine Armbanduhr und Drogenutensilien aushändigen. Der Geschädigte hatte den Vorfall als gewöhnliches Raubdelikt angezeigt. Die Ansbacher Ermittler kamen jedoch dem Drogengeschäft schnell auf die Spur. Das Landgericht Ansbach hat den Beschuldigten am 6. 3. 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Kriminalpolizei nutzte ihre Erkenntnisse, um die "Geschäftspartner" zu ermitteln. Nach und nach kristallisierte sich ein immer größer werdender Kreis an Klein- und Zwischenhändlern heraus, die die lokale Szene offensichtlich mit größeren Mengen Haschisch, Marihuana, Ecstasy und Amphetamin versorgten. Die anfänglich noch kleineren Mengen hatten sich innerhalb kürzester Zeit gesteigert, so dass bei einzelnen Geschäften mehrere Tausend Euro über den Tisch gingen. Im Rahmen von kräfteintensiven verdeckten Ermittlungen stießen die Ansbacher Kripobeamten bald auf mehrere zentrale Figuren.
Es war klar, dass die Verdächtigen einen derartig umfangreichen Rauschgifthandel nur mit Telekommunikationsmitteln (Handy usw.) organisieren konnten; die Gesprächsinhalte und Gesprächspartner mussten ermittelt werden. Außerdem war eine Reihe von Wohnungsdurchsuchungen nötig, um die Ausmaße des Rauschgifthandels aufzudecken und Beweismittel zu sichern. Für die entsprechenden Anträge an das Gericht waren die drei Ansbacher Rauschgift-Staatsanwälte verantwortlich, die die operativen Maßnahmen rechtlich prüften und die förmlichen Anträge an den Ermittlungsrichter stellten. Dieser ordnete 68 Durchsuchungen an, daneben mehrere Telekommunikationsüberwachungen. Auf der Grundlage der Ermittlungen erließ das Amtsgericht Ansbach 27 Haftbefehle. Zur Festnahme eines 43-Jährigen kam es Ende Oktober 2007. Der Kraftfahrzeugmechaniker hatte bereits in zurückliegenden Jahren in der Hesselbergregion ein Drogenlabor betrieben. Er konnte von Spezialeinheiten in Gunzenhausen überrascht werden. Bei der anschließenden Durchsuchung erstöberte ein Rauschgiftsuchhund knapp 200 Gramm Haschisch. Noch während der Maßnahme kamen zwei völlig ahnungslose 36 und 42 Jahre alte Drogenhändler mit ihrem Pkw hinzu: Die Beamten beförderten aus Hosentaschen und dem Fahrzeug Haschisch und Ecstasytabletten sowie 2000 Euro Drogengelder ans Tageslicht.
Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen wurden mindestens 110 Kilogramm Haschisch und Marihuana, 13 Kilogramm Amphetamin, 50 Gramm Kokain sowie 1000 Ecstasytabletten vorwiegend aus den Niederlanden und Hessen nach Westmittelfranken transportiert, um sie hier gewinnbringend zu verkaufen.
Mit welch harten Bandagen in der Drogenszene vorgegangen wird, zeigen auch folgende Beispiele: Ein ausgebildeter Kampfsportler trat einen Drogenabnehmer in seiner Wohnung mit großer Brutalität nieder, um Schulden einzutreiben. Als zwei Eindringlinge die Zimmer nach Wertsachen durchstöberten, nutzte der Wohnungsinhaber die Gelegenheit zur Flucht. Ein anderer Dealer versuchte aus Drogenlieferungen resultierende Schulden dadurch einzufordern, dass er seinem Abnehmer eine angeblich scharfe Schusswaffe an den Kopf hielt.
Nichts von seinem durch den illegalen Drogenhandel erworbenen "Reichtum" wird auch ein 26-jähriger Familienvater aus Treuchtlingen haben: Der als Dreh- und Angelpunkt in seinem Wohnort geltende Dealer hatte feinsäuberlich 13.000 Euro in einem Schranktresor aufbewahrt. Der Erlös aus seinen Geschäften wurde von den Beamten beschlagnahmt und wird nun durch den Freistaat abgeschöpft. Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen dürfte der Mann rund 25 Kilogramm Haschisch aus Baden-Württemberg bezogen und an Zwischenhändler weiterverkauft haben. Der Tatverdächtige konnte in der Nacht zum Faschingsdienstag, 04.02.08, mit Unterstützung einer Spezialeinheit des Bayerischen Landeskriminalamtes widerstandslos in seiner Wohnung festgenommen werden. Zeitgleich schlugen die koordiniert vorgehenden Ermittlungsbehörden an sechs weiteren Anlaufadressen in und um Treuchtlingen sowie Gunzenhausen zu und nahmen sieben Personen fest.
Im Rahmen von Anschlussermittlungen gelang es der Kripo Ansbach im Zusammenwirken mit ihren Baden-Württembergischen Kollegen, auch die Großlieferanten im Hintergrund zu identifizieren und dingfest zu machen. Die Handschellen klickten Ende Februar 2008 bei zwei 25 und 18 Jahre alten Männern, die offensichtlich überregional operierten. Den in Schwäbisch-Hall und Crailsheim wohnhaften Beschuldigten wird der gewerbsmäßige Handel und Schmuggel mit Haschisch vorgeworfen.
Am 20.02.2008 führten die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse schließlich zum bisher größten Schlag im Rahmen der Operation: Ein 42-jähriger Rothenburger konnte in Rheinland-Pfalz auf der Rückreise von einer Beschaffungsfahrt festgenommen werden. Im Rahmen einer Fahndung griffen Kräfte der Kripo Trier und Ansbacher Fahnder bei günstiger Gelegenheit nahe der Grenze zu Holland zu. Im Reisegepäck des Mannes: 10 Kilogramm Haschisch sowie 3 Kilogramm Amphetamin und 500 Ecstasytabletten. Augenscheinlich schöpfte der 42-Jährige keinerlei Verdacht, da er das Rauschgift offen in zwei Sporttaschen im Kofferraum aufbewahrt hatte.
Die intensiven Nachforschungen in der Rauschgiftszene offenbarten einen besonders erschreckenden Umstand: Nach den Ermittlungen hatten etliche der Drogenkonsumenten bereits im Alter von 11 bis 14 Jahren erstmals Kontakt mit den illegalen Rauschmitteln und arbeiteten sich nach und nach in der Dealerhierarchie nach oben. Die meist berufslosen Drogenhändler der mittleren und oberen Ebene finanzierten sich mit ihren illegalen Geschäften regelmäßig ihren Lebensunterhalt.
Die Beschuldigten zeigten sich weitestgehend geständig. Es handelt sich um deutsche, italienische und türkische Staatsbürger im Alter von 17 bis 45 Jahren. Sie stammen vorwiegend aus Gunzenhausen, Treuchtlingen und dem Landkreis Ansbach. Neben den Drogendelikten laufen gegen einzelne Tatverdächtige zudem Verfahren wegen Verstößen nach dem Waffengesetz, gefährlicher Körperverletzung sowie schwerer räuberischer Erpressung. Die Gesamtermittlungen dauern an.
Der massive Schlag gegen die organisierten Strukturen im westlichen Mittelfranken war einmal mehr Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen den Ansbacher Justizbehörden und der Kriminalpolizei Ansbach.
Einige Zahlen aus der Justizstatistik für den betroffenen Raum (Bezirk der Staatsanwaltschaft Ansbach): Im Jahr 2007 gingen 813 Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ein, davon 42 % gegen Personen unter 21 Jahre (2006: 769, davon 44% gegen Personen unter 21, 2005: 886/53%); das Alter der Beschuldigten ist somit deutlich gestiegen. Als Verbrechen mit einer im StGB vorgesehenen Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe wurden im vergangenen Jahr 114 (14%) bewertet; es handelte sich vor allem um Handel mit nicht geringen Mengen Rauschgift und um Abgabe an Minderjährige. Die entsprechenden Zahlen für 2006 sind 83 (11%) und 2005: 123 (14%). Die Gesamtdauer eines Ermittlungsverfahrens betrug im Jahr 2007 bei schweren Btm-Delikten durchschnittlich 5,4 Monate, bei leichteren knapp 3 Monate.
Elke Schönwald/n
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