POL-GOE: (814/2010) Gespräch der Stadtratsfraktionen der Stadt Göttingen mit dem Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Göttingen und dem Leiter der Staatsanwaltschaft Göttingen
Göttingen (ots)
Göttingen: Gemeinsame Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Göttingen und der Polizeidirektion Göttingen
GÖTTINGEN (ik) - Auf Einladung des Göttinger Oberbürgermeister Herrn Wolfgang Meyer fand am 24. November 2010 eine Informationsveranstaltung der Mitglieder des Rates der Stadt Göttingen im Ratssaal der Stadt Göttingen mit dem Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Göttingen, Robert Kruse, dem Polizeivizepräsidenten Roger Fladung und dem Leiter der Staatsanwaltschaft Göttingen, Leitender Oberstaatsanwalt Hans-Dieter Apel statt.
Gegenüber den Mitgliedern der Ratsfraktion stellte Herr Kruse die Gründe dar, die ihn veranlasst haben, nicht an einem "Runden Tisch", wie ihn der Rat der Stadt Göttingen angeregt hat, teilzunehmen. Der Behördenleiter stelle hierbei heraus, dass aufgrund verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Regelungen die handlungsleitende Bewertung polizeilicher Maßnahmen und Verfahren den hierfür zuständigen Institutionen obliegt. Dies sind neben den Aufsichtsbehörden insbesondere Gerichte und parlamentarische Kontrollgremien. "Bereits diese Kompetenzregelung schließt eine Teilnahme der Polizei an einem "Runden Tisch" mit der ins Auge gefassten Zielrichtung aus", sagte Kruse.
Verschiedene in dem Papier" Für gesellschaftliches Engagement - Gegen Kriminalisierung & Politische Justiz" dargestellten Sachverhalte, das nach den Vorstellungen des Rates wesentliche Erörterungsgrundlage des "Runden Tisches" sein soll, sind durch die gesetzlich hierfür zuständigen Stellen bereits abschließend bewertet worden. Die Teilnahme der Polizei an Neu- oder Umbewertungen dieser Sachverhalte oder an einer Kritik an den handelnden Institutionen, selbst wenn diese nur in "Durchführungsempfehlungen" münden sollen, stellen nach Darstellung und Auffassung des Polizeipräsidenten einen nicht hinnehmbaren Mangel an Respekt gegenüber diesen Institutionen dar.
Darüber hinaus berichtete der Polizeipräsident gegenüber den Ratsmitgliedern über die rechtlichen Voraussetzungen und Verfahrensweisen bei Strafverfahren und den damit verbundenen polizeilichen Aktivitäten, insbesondere bei der Verfolgung politisch motivierter Straftaten.
Der Leiter der Staatsanwaltschaft machte deutlich, dass bei Anhaltspunkten für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat, hinsichtlich der Frage, ob oder gegen wen ein Ermittlungsverfahreneinzuleiten ist, für die Polizei und die Staatsanwaltschaft kein Ermessensspielraum bestehe. Deshalb könne sich die Staatsanwaltschaft auch nicht an Absprachen beteiligen, bei dem Verdacht bestimmter Straftaten auf die Einleitung von Ermittlungsverfahren zu verzichten.
Er gab sodann einen Überblick über die im Jahr 2010 im Dezernat für politisch motivierte Straftaten bislang erhobenen Anklagen und die beantragten Strafbefehle. Von den insgesamt 39 Verfahren betrafen 17 Verfahren den Vorwurf der Volksverhetzung oder das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, insbesondere das Verwenden des Hitlergrußes, von Symbolen des Dritten Reiches oder ausländerfeindliche Äußerungen, in einem Fall den Vertrieb von CDs mit rechtsradikalen Musikstücken. In weiteren 6 Verfahren mit möglichem rechtsradikalen oder ausländerfeindlichen Hintergrund wurden den Tätern Bedrohungen, Beleidigungen, Sachbeschädigungen und in je einem Fall eine Urkundenfälschung, ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und ein Verstoß gegen das WaffG zur Last gelegt. Die restlichen 16 Strafverfahren betrafen in 2 Fällen Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, eine vollendete Körperverletzung, eine versuchte gefährliche Körperverletzung und eine Beleidigung zum Nachteil von Polizeibeamten, in 2 Fällen Sachbeschädigungen durch Farbschmierereien an Gebäuden, Inbrandsetzen eines Pkws mit 15.000,-- EUR Schaden, eine Sachbeschädigung durch Inbrandsetzen von Mülltonnen und Papiertonnen, in einem Fall den Vorwurf einer Verleumdung in einer Presseveröffentlichung sowie 2 Fälle von Körperverletzungen zum Nachteil von Jugendlichen.
Polizei und Staatsanwaltschaft sind übereinstimmend der Auffassung, dass die angeklagten Taten nur eine geringe Aussagekraft hinsichtlich Art und Umfang der politisch motivierten Kriminalität haben. So müssen insbesondere viele Ermittlungsverfahren wegen Gewalttaten und anderer Straftaten eingestellt werden, weil die Täter häufig aus einer Menschenmenge heraus - zum Beispiel bei Demonstrationen - gehandelt hatten und nicht ermittelt werden konnten oder ein Tatnachweis nicht mit ausreichender Sicherheit möglich war.
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