POL-GOE: (144/2012) Politisch motivierte Kriminalität in der Polizeidirektion Göttingen nimmt zu - Rechtsmotivierte Straftaten nehmen zu, Stadt Göttingen bleibt Brennpunkt linksmotivierter Straftaten
Göttingen (ots)
Göttingen
Dienstag, 06. März 2012
GÖTTINGEN (ma) - "Rechtsmotivierte Straftaten haben 2011 in der Polizeidirektion Göttingen deutlich zugenommen. Im Bereich der politisch linksmotivierten Kriminalität ist dagegen in der Gesamtbetrachtung lediglich eine leichte Steigerung zu verzeichnen", sagte Polizeipräsident Robert Kruse zur Entwicklung der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) 2011 in der Polizeidirektion Göttingen.
Die Erfassung von Straf- und Gewalttaten der politisch motivierten Kriminalität erfolgt nach bundesweit einheitlichen Kriterien. Zugeordnet werden unter anderem Taten, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie den demokratischen Willensprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Dazu zählen weiterhin Straftaten, die gegen Personen gerichtet sind wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Hautfarbe, Weltanschauung oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes oder ihres gesellschaftlichen Status.
Im Jahr 2011 sind insgesamt 567 politisch motivierte Straftaten (2010: 479) registriert worden; das entspricht einer Steigerung der Fallzahlen um 18,4 %. Hiervon sind 320 Straftaten (2010: 236) dem rechtsmotivierten und 214 (2010: 208) dem linksmotivierten Bereich zuzuordnen.
Im Bereich der politisch motivierten Ausländerkriminalität war 2011 lediglich ein Delikt (2010: 7) zu verzeichnen. Die übrigen 32 Fälle im Jahr 2011 sind keinem speziellen Phänomenbereich zuzuordnen und werden daher statistisch als "sonstige PMK" erfasst.
Politisch motivierte Kriminalität - links
Die Gesamtzahl der politisch linksmotivierten Kriminalität ist mit einem Anstieg von 208 auf 214 Fälle nur leicht um 2,9 % gestiegen. Die hauptsächlich feststellbaren Themen, die zur Straftatenbegehung motiviert haben, lagen - wie in den Vorjahren - im so genannten Antifaschismuskampf, der Konfrontation gegen "Rechts" sowie der Auseinandersetzung mit der Polizei ("Anti-Repression"). Besondere Anlässe zur Straftatenbegehung waren zum Beispiel die Demonstrationen anlässlich des so genannten Trauermarsches von Rechtsextremisten in Bad Nenndorf sowie zahlreiche versammlungsrechtliche Aktionen in Göttingen.
"Die Stadt Göttingen ist auch im Landesvergleich nach wie vor deutlich bevorzugter Aktionsraum linksmotivierter Straftäter", erklärte Polizeipräsident Kruse. Nach der Statistik 2011 stellt die PI Göttingen mit 112 Fällen (davon 106 Fälle im Stadtgebiet) neben der Landeshauptstadt Hannover (128 Fälle) im Vergleich mit größeren und vergleichbaren Städten wie Braunschweig (31 Fälle), Oldenburg (52 Fälle), Lüneburg (24 Fälle - ohne Straftaten mit "Castor"-Bezug) und Osnabrück (22 Fälle) im Bereich der politisch linksmotivierten Straftaten unzweifelhaft den markantesten Brennpunkt dar. "Nirgendwo sonst in Niedersachsen ist eine derartige, traditionell verfestigte Straftatenhäufung festzustellen. Und nirgendwo sonst werden linksmotivierte Straftaten öffentlich so stark bagatellisiert wie hier. Es liegt nah, dass hierdurch ein Verstärkungsprozess in Gang gesetzt wird, der diesen Straftätern die Scheinlegitimation für ihre Taten liefert", so Kruse weiter. "So richtig und hilfreich die gesellschaftliche Stigmatisierung rechtsmotivierter Straftaten ist, so bedauerlich ist ihr weitgehendes Fehlen in Bezug auf linksmotivierte Delikte in Göttingen."
Während auf Landesebene linksmotivierte Gewaltdelikte mit 297 Fällen sehr stark zugenommen haben (2010: 226), ist ihre Zahl im Bereich der PD Göttingen mit 36 Fällen (2010: 44) leicht rückläufig. "Dieser erfreuliche Rückgang darf nicht darüber hinwegtäuschen", so Robert Kruse, "dass die Täter inzwischen mit einer Brutalität vorgehen, die keine Rücksicht mehr auf die Gesundheit anderer Menschen nimmt. Bei Auseinandersetzungen zwischen rechts- und linksmotivierten Gruppen, wie aktuell in der Stadt Bückeburg zu beobachten, ist beidseitig nur noch eine niedrige Hemmschwelle erkennbar."
Am Freitag, den 02. Dezember 2011, entzündeten bislang unbekannte Täter vor dem Eingangsbereich des Amtsgerichts Göttingen eine so genannte Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung (USBV). Hierdurch wurden mehrere Sicherheitsglasscheiben im Eingangsbereich beschädigt. An die Hauswand des Gebäudes wurde mit schwarzer Farbe die Aufschrift: "NAZIS MORDEN! DER STAAT SCHIEBT AB" gesprüht. An zwei weiteren Säulen: "RAZ".
Die Tatbegehung sowie das Zielobjekt sprechen für einen politisch linksmotivierten Hintergrund. "Der oder die Täter hatten es nicht mehr in der Hand, ob auch Menschen zu Schaden kommen. Glücklicherweise ist dies nicht passiert", so Kruse.
Im Jahr 2011 kam es zu sechs Übergriffen von mutmaßlich linksmotivierten Straftätern auf Verbindungshäuser bzw. Burschenschaftler in Göttingen in Form von versuchten und vollendeten Brandstiftungen, Körperverletzungen und Raubdelikten. Diese zumeist hinterhältig begangenen Straftaten werden - unabhängig von der jeweiligen Motivation - von Polizei und Justiz konsequent verfolgt, erklärte Kruse.
Politisch motivierte Kriminalität - rechts
Die Gesamtzahl der politisch rechtsmotivierten Kriminalität ist mit einem Anstieg von 236 auf 320 Fälle deutlich um rund ein Drittel gestiegen und hat damit den höchsten Stand der vergangenen 10 Jahre erreicht. Im Bereich der politisch rechtsmotivierten Straftaten stellen die so genannten Propagandadelikte mit 183 Fällen (57,2 %) den größten Teil dar. Bei diesen Delikten handelt es sich zumeist um Farbschmierereien von Hakenkreuzen und anderen verbotenen Symbolen oder auch um Volksverhetzungen. "Es ist erschreckend, dass sogar unmittelbar nach den schockierenden Feststellungen um die 'rechte Terrorzelle' in Zwickau in der Nacht vom 18./19. November 2011 in Göttingen fremdenfeindliche Farbschmierereien an zwei Göttinger Schulen, Häusern und Autos angebracht wurden. Wir haben schnell, konsequent und mit hohem Aufwand reagiert und konnten zwei Tatverdächtige ermitteln, die offenbar aus dumpfem Fremdenhass agierten. Diese beiden - eine Jugendliche und ihr 43-jähriger Freund - sind nach den bisherigen Ermittlungen für einen erheblichen Teil der in Göttingen registrierten Taten verantwortlich zu machen", so Polizeipräsident Kruse. Er bekräftigte, dass rechtsextremistischen Tendenzen als Nährboden entsprechender Straftaten weiterhin rechtsstaatlich konsequent begegnet werden muss. Kruse: "Wir stehen der 'rechten Szene' auf den Füßen und setzen die im Gesamtkonzept des Niedersächsischen Innenministeriums landesweit als Standard festgeschriebenen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus bereits seit Jahren konsequent um."
Die durch rechtsmotivierte Straftäter begangenen Gewaltdelikte sind von acht Fällen in 2010 auf 17 Fälle im Jahr 2011 angestiegen und haben damit annähernd das Fallzahlenniveau von 2007 erreicht. Dieser Anstieg ist überwiegend auf den bereits erwähnten Rechts-Links-Konflikt in Bückeburg zurückzuführen. Zumeist handelt es sich um Körperverletzungen im Rahmen von Konfrontationen zwischen politisch Andersdenkenden. "Die Täter haben offenbar die Straßenschlachtmentalität ihrer Groß- und Urgroßväter übernommen. Ein solches Konfliktverhalten zur Durchsetzung politischer Ziele hat in unserer pluralistischen Gesellschaft keinen Platz. Die Polizei kann und wird solche Verhaltensweisen nicht dulden und Straftaten beider Seiten gleichermaßen verfolgen", verdeutlicht Polizeipräsident Kruse.
Politisch motivierte Ausländerkriminalität
Im Bereich der politisch motivierten Ausländerkriminalität war im Jahr 2011 lediglich ein Delikt zu verzeichnen (2010: 7), im Land Niedersachsen waren es derer 29 (2010: 150). Bei diesem Delikt handelt es sich um eine Unterstützungshandlung zugunsten der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) im Mai 2011 in Nienburg (Verstoß gegen § 20 VereinsG). Gewaltdelikte spielten in diesem Phänomenbereich im Bereich der PD Göttingen keine Rolle. "Ungeachtet der geringen Anzahl an feststellbaren Straftaten muss der politisch motivierten Ausländerkriminalität vor dem Hintergrund der weltweiten Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus weiterhin höchste Aufmerksamkeit gewidmet werden", so der Polizeipräsident. Kruse betonte, dass die terroristische Gefahr für Deutschland - und damit auch für Niedersachsen - unvermindert hoch sei.
Die Gefahrenlage werde nicht zuletzt durch das Attentat eines radikalisierten fanatischen Einzeltäters belegt, der am 2. März 2011 auf dem Frankfurter Flughafen zwei amerikanische Soldaten getötet und zwei weitere schwer verletzt hat, erklärte Kruse und betonte: "Der Gefahrenabwehr und Prävention kommt in diesem Deliktsbereich eine besondere Bedeutung zu. Sie ist und bleibt ein Schwerpunkt polizeilicher Arbeit."
Die Polizeidirektion Göttingen umfasst die Polizeiinspektionen Göttingen, Hameln-Pyrmont / Holzminden, Hildesheim, Nienburg / Schaumburg und Northeim / Osterode. Sie ist damit für die Sicherheit von rund 1,3 Millionen Einwohnern in acht Landkreisen zuständig.
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