Experten fordern Reform des Königsteiner Schlüssels und neue Kriterien für die Finanzierung von Flüchtlingsleistungen
Berlin (ots)
- Zwei Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität Köln (FiFo) im Auftrag der Robert Bosch Stiftung vorgestellt - Experten des IW empfehlen transparenten Verteilungsmechanismus auf Länder und Kommunen unter Berücksichtigung von Wohnraum- und Versorgungskapazitäten, Arbeitsmarktperspektiven und des Bildungssystems - FiFo Gutachten rät dazu, finanzielle Leistungen langfristig gemäß dem Leitsatz "Geld folgt Flüchtling" zu verteilen
Die hohe Zahl an Flüchtlingen stellt viele Kommunen vor große Herausforderungen, ausreichend Wohnraum und die nötige Infrastruktur für deren Versorgung zur Verfügung zu stellen. Zugleich gibt es ungenutzte Flächen, die für die Unterbringung von Flüchtlingen in Frage kommen. Die Verteilung der Flüchtlinge auf Länder und Kommunen sollte sich daher in Zukunft stärker an Kriterien wie Wohnraumkapazitäten und Integrationsmöglichkeiten orientieren. Auch die Verteilung der finanziellen Leistungen durch den Bund muss reformiert werden. Damit die Mittel treffsicher ankommen, sollen Gelder in der Flüchtlingspolitik gemäß dem Leitsatz "Geld folgt Flüchtling" fließen. Zu diesen Ergebnissen kommen zwei heute von der Robert Bosch Stiftung vorgestellte Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität Köln (FiFo Köln).
"Die Gutachten bieten eine fundierte Analyse der aktuell unbefriedigenden Verteilung von Flüchtlingen und der finanziellen Leistungen auf die Länder und Kommunen. Und sie geben konkrete Empfehlungen, wie ein gerechterer Mechanismus aussehen kann", sagt Armin Laschet, Vorsitzender der Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik, aus deren Arbeit die Gutachten angeregt wurden.
Königsteiner Schlüssel für Verteilung von Flüchtlingen ungeeignet
Das IW kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass der derzeit angewendete Königsteiner Schlüssel keinen geeigneten Mechanismus zur Verteilung der Flüchtlinge auf die Länder darstellt. Der Schlüssel orientiert sich an den Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl eines Landes, bildet aber nicht ab, wie gut die Kommunen in der Lage sind, Flüchtlinge unterzubringen, zu versorgen und zu integrieren. Das IW empfiehlt deshalb neue Kriterien für die Verteilung der Flüchtlinge, zu denen nicht nur die Wohnraum- und Versorgungskapazitäten zählen. "Vor allem sollten die Perspektiven für Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem berücksichtigt werden, denn sie sind für die erfolgreiche Integration der Flüchtlinge von zentraler Bedeutung", so Dr. Hans-Peter Klös, Geschäftsführer des IW. Zugleich müssen Anreize für die Länder und Kommunen geschaffen werden, diese Kriterien auch zu erfüllen und Flüchtlinge aufzunehmen.
Bundesmittel gemäß Leitsatz "Geld folgt Flüchtling" verteilen
Das kann zum Beispiel über eine ausgewogene Finanzierung der Flüchtlingsleistungen aus Bundesmitteln geschehen. Für das laufende Jahr 2016 hat der Bund den Ländern dafür 3,64 Milliarden Euro zugesagt. "Die Verteilung der Gelder in der Flüchtlingspolitik berücksichtigt nicht, welche Länder bei der Flüchtlingsversorgung besonders viel leisten", so FiFo-Geschäftsführer Dr. Michael Thöne. Verglichen mit der Verteilung der Flüchtlinge bekommen vor allem die ostdeutschen Flächenländer zu wenige Bundesmittel, wohingegen die Stadtstaaten zu viel Geld erhalten. So fehlen Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise 5,8 Prozent an Mitteln, an Bremen gehen 11,3 Prozent mehr als der Durchschnitt. Die Experten des FiFo Köln empfehlen in ihrem Gutachten, das Geld nach der Maxime "das Geld folgt dem Flüchtling" zuzuweisen: Finanzielle Mittel sollen mit dem gleichen Maßstab wie bei der Verteilung der Flüchtlinge auf Länder und Kommunen umgelegt werden. Langfristig empfiehlt das FiFo Köln, die Mittel in einem bildungsorientieren Finanzausgleich dorthin zu lenken, wo eine große Bildungsnachfrage entsteht.
Diskussion über Kostenerstattung der Länder an die Kommunen nötig
Zudem fordern sie eine Diskussion über die unterschiedlichen Regelungen bei der Kostenerstattung der Länder an die Kommunen. Einige Länder wie Bayern übernahmen 2015 mehr als neunzig Prozent der pauschalierten Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge, andere erstatten erheblich weniger. Nirgendwo allerdings beruhen die Erstattungen auf realistischen Erhebungen der Kosten, die die Kommunen tatsächlich aufbringen müssen. Um solche Ungleichgewichte zu beheben, regen die Experten an, weitere kommunale Sozialleistungen vom Bund übernehmen zu lassen und Bundesmittel ohne den Umweg über die Länder auch direkt an die kommunale Ebene zu leiten.
"Entscheidend für die Integration der neuen Zuwanderer ist, dass sie in unserer Gesellschaft Chancen erhalten, um Fuß fassen zu können", sagt Uta-Micaela Dürig, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung "Die Ergebnisse der Gutachten sollen eine konstruktive Diskussion darüber anregen, wie Kommunen und Länder dabei besser unterstützt werden können."
Mit der im März 2015 einberufenen Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik unter Vorsitz von Armin Laschet hat die Stiftung hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammengebracht, um konkrete Handlungsoptionen und Reformvorschläge für die deutsche Flüchtlingspolitik zu entwickeln. Über Anhörungen, Gespräche und Gutachten bindet die Kommission bedarfsorientiert wissenschaftliche, politische und ethische Expertise von Akteuren und Experten in ihre Arbeit ein und versteht sich dabei als parteipolitisch unabhängiger Berater.
Die Gutachten finden Sie unter www.bosch-stiftung.de/fluchtundasyl
Die Robert Bosch Stiftung gehört zu den großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Europa. Sie investiert jährlich rund siebzig Millionen Euro in die Förderung von ca. 800 eigenen und fremden Projekten aus den Gebieten der Völkerverständigung, Bildung, Gesellschaft und Kultur sowie Gesundheit und Wissenschaft. Insgesamt hat die Stiftung seit ihrer Gründung 1964 mehr als 1,2 Milliarden Euro für ihre gemeinnützige Arbeit eingesetzt.
Die Robert Bosch Stiftung setzt die gemeinnützigen Ziele des Firmengründers und Stifters Robert Bosch (1861-1942) fort. Sie hält rund 92 Prozent der Geschäftsanteile an der Robert Bosch GmbH und finanziert sich aus den Dividenden, die sie aus dieser Beteiligung erhält. Die Stiftung hat ihren Sitz im ehemaligen Stuttgarter Wohnhaus von Robert Bosch. Dort und in ihrer Berliner Repräsentanz beschäftigt sie rund 140 Mitarbeiter.
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