Schwäbische Zeitung: Ein Akt der Nächstenliebe - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Zur Abwechslung eine gute Idee aus dem Bundesgesundheitsministerium: Die Krankenkassen sollen ihren Mitgliedern die Entscheidung abverlangen, ob sie zur Organspende bereit sind - oder aber nicht. Das Verfahren ist keine Zwangslösung, beendet aber trotzdem jene Gleichgültigkeit, die Tag für Tag Menschen das Leben kostet.
Die Statistik spricht eine klare Sprache: Drei von vier Deutschen finden Organspenden gut. Aber nur jeder Vierte besitzt einen Spenderausweis. Alle Versuche, diese Situation auf dem Weg der Freiwilligkeit zu bessern, sind fehlgeschlagen. Das liegt auch an der durchaus verständlichen und zeitgeistigen Scheu, sich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen, aber nicht an einem Mangel an Mitmenschlichkeit.
Viele europäische Länder setzen in dieser Konfliktzone auf Zwang. Wer keine Organe spenden will, muss eine Ablehnung aktiv bekunden und in seinen Ausweispapieren vermerken lassen. Daran gemessen ist das Verfahren, das der Bundesgesundheitsminister im Sinn hat, eher liberal: Die Ablehnung gegenüber der Krankenkasse ist sicher weniger peinlich als auf dem Rathaus. Und dass es Menschen gibt, denen das Thema Spende Angst macht, ist zu respektieren.
Womöglich überzeugt das neue Verfahren aber auch viele Zweifler: Wenn es genug Spender gäbe, wären auch der höchst seltene Missbrauch weit unwahrscheinlicher und dem menschenverachtenden Organ-Schwarzmarkt seine Handelsgrundlage entzogen. Es ist das schwer verständliche Misstrauen, das die Bedenken schürt, obwohl Organspende eine zutiefst wichtige Frage der Mitmenschlichkeit ist. Diese lässt sich nur schwer verordnen. Aber es ist jede Mühe wert, für sie zu werben. Zur nun vorliegenden Problemlösung aus der Politik muss aber auch Überzeugungsarbeit kommen. Ängste zu schüren ist dabei ebenso wenig angesagt wie der Versuch, Ängste zu verharmlosen. Letzteres haben die Befürworter der Lebensrettung überhaupt nicht nötig. Sie haben nämlich die Nächstenliebe auf ihrer Seite.
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