Schwäbische Zeitung: Reform ist Probe aufs Exempel - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Eine Reform der Polizeistrukturen in Baden-Württemberg ist seit langem überfällig. Die derzeitige Organisation, in der einem Landkreis eine Polizeidirektion zugeordnet wird, ist einfach nicht mehr zeitgemäß: Es macht wenig Sinn, die kleineren Einheiten mit immer aufwändigeren Methoden der moderner Kriminaltechnik zu betrauen. Das weiß der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall. Das hat in den vergangenen Jahren auch die CDU gewusst, die sich in der Regierungsverantwortung gescheut hat, die Neuordnung zu wagen: Sie wollte ihren Parteifreunden auf vielen Landratssesseln ihre Polizeidirektionen nicht nehmen.
Nun packt Grün-Rot das Thema an. Und SPD-Mann Gall versucht den Befreiungsschlag: zwölf Präsidien mit jeweils mindestens 1500 Beamten für das gesamte Land, damit Kriminalexperten ihr Wissen bündeln können und im Streifendienst mehr Polizisten auf die Straße kommen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Eine Reform, die in städtischen Regionen wie Stuttgart oder dem Raum Mannheim-Heidelberg funktioniert, hat in Oberschwaben, auf der Baar, im Allgäu oder auf der Ostalb fatale Auswirkungen: lange Anfahrtswege bis zum Einsatzort, Spezialisten, die Land und Leute nicht mehr kennen - und ein Gefühl der Unsicherheit bei den Menschen, die sich in den Regionen fernab vom Innenministerium in Stuttgart wieder einmal abgehängt sehen.
Reinhold Gall sollte nun dem ersten Befreiungsschlag einen weiteren folgen lassen: indem er die berechtigte Kritik an der Ausgangskonzeption seiner Reform berücksichtigt und sie in die Neuordnung einarbeitet. Die Reform stellt für die grün-rote Regierung eine Probe aufs Exempel dar: Wird die Regierung ihrem eigenen Anspruch eines neuen Politikstils gerecht, indem sie offen ist für Anregungen und auch sachliche Gegenargumente beherzigt? Ein Beharren auf den jetzt vorgestellten Eckpunkten wäre das Gegenteil, es wäre das so viel zitierte Durchregieren, das Grün-Rot der Vorgängerregierung vorgeworfen hat.
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