Schwäbische Zeitung: Schuldenschnitt nach Athener Art - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Der Schuldenschnitt ist geglückt, die Gläubiger haben ihrer Enteignung zugestimmt. Mit einem Schlag entledigen sich die Griechen eines Schuldenbergs von 100 Milliarden Euro. Für die Regierung in Athen und alle Bürger ein wahrhaft historischer Moment, selbst wenn eine Minderheit von Anlegern noch zum Einlenken gezwungen werden muss. Griechenland hat den Gläubigern ein Angebot gemacht, das sie nicht ablehnen können. Doch dieser Schuldenerlass geschah in etwa so freiwillig, wie die Entnahme eines entzündeten Blinddarms.
Für Europa ist die griechische Lösung alles andere als erfreulich. Der hoch verschuldete Kontinent braucht zwingend Staatsanleihen, um seine aufgeblähten Haushalte zu finanzieren. Doch staatliche Schuldscheine sind jetzt diskreditiert. Anleihen etlicher Euro-Länder gelten fortan zu Recht als Spekulation mit hohem Ausfallrisiko. Jeder Anleger wird es sich künftig dreimal überlegen, ob er sein Geld einem südeuropäischen Land leiht oder lieber solide Firmenaktien kauft.
Was die Griechen mit Billigung ihrer europäischen Freunde vorexerziert haben, könnte zur Handlungsmaxime überschuldeter Staaten werden. Wer garantiert Gläubigern, dass Länder wie Portugal oder Italien es nicht ähnlich handhaben wie Athen und ihre Schulden auch mit einem kühnen Federstrich minimieren? Erlässt bald jeder schlecht geführte Staat ein Gesetz zulasten seiner Gläubiger, wenn ihm die Verbindlichkeiten am Ende über den Kopf wachsen?
Noch vor fünf Jahren hätten wir bei einem gesetzlich erzwungenen Schuldenabbau von sozialistischen Methoden gesprochen. Heute loben alle - Finanzminister, Bankenverbände und sogar Manager wie Josef Ackermann - einen solchen Eingriff. Der Schuldenschnitt nach Athener Art war tatsächlich wohl alternativlos, um die Pleite Griechenlands hinauszuzögern, bis der europäische Rettungsschirm voll aufgespannt ist. Gut war die Enteignung deshalb noch lange nicht.
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