Schwäbische Zeitung: Schaukampf um das Kindeswohl - Kommentar
Leutkirch (ots)
Ideologischer Streit um die richtige Politik ist billiger als konkrete Taten. Das gilt auch für die Debatte ums Betreuungsgeld für Familien, die Säuglinge und Kleinstkinder in eigener Verantwortung aufziehen. In Wahrheit wird um Heilsversprechen gerungen, die der Staat gar nicht einlösen könnte.
Gerade in den Ballungsräumen, deren Lebenshaltungskosten Menschen zum Doppelverdiener-Dasein zwingen, ist die Suche nach einem Krippenplatz ein Lotteriespiel. Auf dem flachen Land fehlen noch mehr Betreuungsplätze. Dies wird nur nicht so deutlich, weil es an ordentlich bezahlten Frauenarbeitsplätzen mangelt und viele Mütter eben nicht die Wahl haben, ihrem Beruf nachzugehen. In Flächenländern wie Bayern oder Baden-Württemberg wachsen zwei Drittel der Kinder in den ersten Lebensjahren in elterlichen Obhut auf. Wenn zugleich bundesweit über 30 000 Erzieher und Tagesmütter fehlen, wird der Anspruch zur Farce, möglichst alle Kinder in öffentlicher Regie zu betreuen.
Daraus folgt, dass eine Parteienmehrheit die Familien zu einem Glück zwingen will, das sich der Staat in Wahrheit nicht leisten könnte. Wo doch schon lächerliche 100 Euro Betreuungsgeld pro Monat angeblich das Budget sprengen. Immerhin taugt der Disput zum Stimmenfang. Und leider auch dazu, das Wahlvolk von den wahren Streitfragen abzulenken. Zumal von der, wer die Betreuung von Kindern und Alten bezahlen wird, wenn die große Mehrheit der Familien dies nicht mehr für Gottes Lohn erledigt.
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