Schwäbische Zeitung: Törichter Datenhandel - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Ein Schelm, der Böses dabei denkt: Während beim EM-Halbfinale Deutschland wenig glamourös gegen Italien verliert, verabschiedet eine Handvoll Bundestagsabgeordneter ein neues Meldegesetz, über das die Werbewirtschaft frohlocken kann. Nun, da die Sache ans Licht kommt, bemühen sich Politiker aller Couleur, einen großen Abstand zwischen sich und das Gesetz zu bringen. Eine Politposse? Nein, dafür ist der Vorgang zu bedenklich. Zeugt er doch davon, dass den Politikern das Recht der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung weniger wert ist als die Interessen von Adressenhändlern und Inkassounternehmen. Zugleich hat die klammheimliche Art, wie der Gesetzentwurf behandelt wurde, die Kraft, das Vertrauen der Menschen in die Politik weiter zu schwächen. Törichter und instinktloser kann man kaum vorgehen in Zeiten, die mit dem Wort Krise verbunden sind.
Natürlich ist es für ein geordnetes Gemeinwesen unerlässlich, ein bestimmtes Datenrepertoire von seinen Bürgern abzufragen und zu speichern. Und in manchen Fällen kann es sinnvoll sein, diese Daten an Dritte herauszugeben - sei es, um säumige Schuldner aufzutreiben oder glückliche Erben ausfindig zu machen. Doch dafür hätte es keiner anderen Modalitäten als bislang bedurft. Dass die Bürger nun aktiv werden müssten, wenn sie dem staatlichen Datenhandel nicht zustimmen wollen, dass vielfach überhaupt kein Widerspruchsrecht ausgeübt werden könnte, ist schlicht inakzeptabel.
Nun mögen manche einwenden, dass der moderne Mensch ohnehin von der Neigung geprägt ist, in sozialen Netzwerken selbst das Privateste preiszugeben. Das mag zwar so sein, sticht aber dennoch nicht als Argument. Denn wer nicht gegen Sitte und Gesetze verstößt, kann so öffentlich leben, wie er will. Das entscheidet jeder für sich - und nicht der Staat. Vom Adressenhandel im großen Stil sollten die Kommunen jedenfalls die Finger lassen. Sonst verkommt der Datenschutz hierzulande - mit freundlicher Unterstützung der Politik - vollends zur Worthülse.
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