Schwäbische Zeitung: Die Welt schaut auf Deutschland - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Die Energiewende stockt: Leitungen fehlen, Forscher treten auf der Stelle, der Strompreis klettert. Und Umweltminister Peter Altmaier kassiert mit ernster Mine die sonnigen Visionen seines Vorgängers. Längst ist klar: Der Weg zur atomkraftfreien Zukunft wird für Deutschland lang und steinig. Das Ziel ist ehrgeizig, und es verlangt Opfer: Die Menschen im Süden werden sich an den Anblick von Windrädern gewöhnen müssen, an Waschmaschinen, die nur bei Stromspitzen laufen, an neue Leitungen und Kraftwerke vor der Haustür und an hohe Rechnungen. Der Staat wird Milliarden in Technologien versenken, die es nicht zur Marktreife bringen. Und der Normalbürger wird dies bezahlen - über Steuern oder seine Stromrechnung.
Trotzdem muss Deutschland den nach Fukushima eingeschlagenen Weg weitergehen, Irrwege ausprobieren, Rückschläge akzeptieren. Denn längst ist die Energiewende kein nationales Thema mehr - die ganze Welt schaut gespannt auf das ehrgeizige Land, welches plötzlich keine Atomkraftwerke mehr will. Sie will wissen, ob es Deutschlands Bevölkerung schafft, neue Wege in der Energieversorgung zu gehen. Sie will wissen, ob die deutschen Tüftler zukunftsweisende Lösungen finden - für das eigene Haus, die eigene Stadt, das ganze Land. Und sie will wissen, ob die Politik nicht am Ende doch kapituliert und kleinlaut den neuen Ausstieg aus dem Atomausstieg vermeldet. Scheitert die deutsche Energiewende, wäre dies ein Fanal für andere Staaten: Es würde ihnen zeigen, dass sich Deutschlands Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei der Lösung eines zentralen Menschheitsproblems überschätzt haben. Dass das Land großen Worten keine Taten folgen lässt. Und dass es besser ist, neue Atomkraftwerke zu bauen, als über nachhaltiges Wirtschaften nachzudenken.
Gelingt die Energiewende, steht Deutschland gut da. Als innovativer Standort für Forscher, Unternehmen und weltoffene Bewohner. Davor wird es noch viele Hürden geben. Doch wie hat Duke Ellington mal so schön gesagt: Probleme sind Gelegenheiten zu zeigen, was man kann.
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