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Schwäbische Zeitung: Der Fisch stinkt nicht nur am Kopf - Leitartikel

Leutkirch (ots)

Ein offen als Neonazi auftretender Bundeswehrsoldat wird nicht beobachtet, sondern vom Geheimdienst umgarnt. Ein V-Mann gibt Ermittlern staatlich bezahlte Hinweise zu untergetauchten Bombenbauern, die aber nur halbherzig verfolgt werden.

Diese zwei Fälle aus dem NSU-Ausschuss zeigen, dass es jahrelang offenbar unter der Würde deutscher Ermittler war, sich ernsthaft mit rechten Gewalttätern zu beschäftigen. Neonazis - das waren für die Staatsschützer tumbe Schläger, deren vorhersehbares Treiben man mit vielen V-Leuten irgendwie überwachen wollte. Demokratiegefahren konnten für die Beamten nur von links kommen. Dass die rechte Szene mit den Behörden ein doppeltes Spiel treibt, dass Naziterroristen jahrelang mordend durch Deutschland ziehen - undenkbar.

Man könnte den Blick nach vorne richten, hätte man den Eindruck, dass die Ermittler aus den haarsträubenden Fehleinschätzungen gelernt hätten. Dass sie versuchen würden, Fehler aktiv aufzuarbeiten, oder wenigstens zu helfen, wenn dies andere tun. Doch weit gefehlt: In einer unerträglichen Mischung aus fehlendem Aufklärungswillen, Borniertheit, Bürokratismus und selbstbezogenem Korpsgeist reagiert der Apparat widerwillig auf die Aufklärungs- versuche durch Untersuchungsausschüsse. Dabei fragen dort nur Vertreter jener Demokratie, deren Schutz oberste Aufgabe der Geheimen ist.

Die deutschen Geheimdienste müssen zeigen, dass ihre Existenz noch gerechtfertigt ist. Dass sie Gefahren von rechts oder links, von innen oder außen gleichermaßen ohne Scheuklappen erkennen und bekämpfen. Mit dem Austausch von Führungspersonal allein ist das Glaubwürdigkeitsproblem nicht mehr zu beheben. Der Mittelbau hat ein fatales Eigenleben entwickelt, welches neue Gesichter an der Spitze allein nicht beenden. Verkrustete Strukturen müssen aufgebrochen, Denkmuster über Bord geworfen werden. Darum brauchen die Verfassungsschützer einen Radikalumbau - an Kopf und Gliedern.

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