Schwäbische Zeitung: Britische Absetzbewegungen - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Ob es nun die Insellage ist oder der Hang zu skurrilen Betrachtungsweisen: Briten, die glauben, außerhalb der EU sei mit dem Vereinigten Königreich in einer globalisierten Welt wirklich Staat zu machen, irren. Und Festland-Europäer, die, genervt durch jahrzehntelanges Nörgeln, Bremsen und Blockieren, den Briten den EU-Austritt lächelnd nahelegen, irren ebenfalls.
Die Europäische Union ohne Großbritannien würde zwar weiter funktionieren, der Einfluss - sprich: die Gestaltungsmöglichkeiten - auf der internationalen Bühne, würde rapide sinken. Und das für beide, für die EU wie für Großbritannien. Das Königreich hat seine eigene Geschichte mit der "splendid isolation", der "wunderbaren Isolation". Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges wollte London keine dauerhaften, internationalen Allianzen. Viel hat es dem Land nicht gebracht, es wurde in die Weltkriege gezogen und in den vergangenen 100 Jahren hat sich der Planet dann auch für die Briten verändert. James Bond mag noch als Top-Agent durch die Kinos touren, eine echte Machtposition hat London international schon lange nicht mehr. Die Ex-Kolonien sind lose mit London verbunden, die Treffen des Commonwealth sind eher Brauchtum, keine machtvolle Bühne für Politik. Bei Kriegseinsätzen wie etwa gegen den Irak Saddam Husseins galt Ex-Premier Tony Blair eher als treuer Vasall der USA, nicht aber als gleichberechtigter Partner.
Und wirtschaftlich? Das Land ist nur noch im Bereich der Finanzdienstleistungen eine echte Hausnummer. Deshalb kämpft die britische Regierung so vehement für die Standortbedingungen von London. Autoindustrie? Stahlindustrie? Neue Industrien? Landwirtschaft? Fehlanzeige. Dies alles soll kein Anlass zur Häme sein, sondern Anlass zur Sorge, dass Großbritannien den falschen Weg einschlägt. Das enge Verhältnis der Atom-Macht zu den USA ist für Europa von großer strategischer Bedeutung. Nicht nur deshalb gilt: Nerven bewahren und die Kräfte geschickt unterstützen, die Großbritannien dort sehen, wo es hingehört: Im Herzen Europas.
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