Schwäbische Zeitung: Kommentar zu Steuerhinterziehung: Was sind wir schuldig?
Ravensburg (ots)
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Steuersünder enthalten dem Staat Geld vor, das dann im Bildungswesen und bei der Kinderbetreuung, im Straßenbau oder auch bei der Kulturförderung fehlt. Es ist deshalb auch eine Aufgabe des Staates, im Interesse aller mit dafür zu sorgen, dass die Steuerehrlichkeit erhöht wird und Steuerbetrüger effizient verfolgt werden. Dafür hat er Gesetze und Fahnder. Aber darf ein Rechtsstaat gestohlene Daten ankaufen? Darf er für das hehre Ziel eine Art Hehler werden? Die Versuchung ist für viele groß, mit einem klaren Ja zu antworten. Ja - sagen sie dann - wenn man diese schwerreichen Steuersünder, die sich aus der Staatsbürgerpflicht stehlen, so drankriegen kann. Denn - ja, sagen sie - denen kann man ruhig auch mit handfesten Methoden das Handwerk legen.
Wer so schnell und bedenkenlos eine Antwort für den Umgang mit den mehr oder weniger großen Betrügern parat hat, muss sich aber auch fragen lassen, wie er dann mit den vermeintlich kleinen Tricksern umgehen will. Mit denen, die sich das neue Bad günstig von einem Schwarzarbeiter fliesen lassen. Mit denen, die der Putzfrau jede Woche einen Schein hinlegen, ohne dafür eine Rechnung zu erhalten. Mit denen, die in der Masse Cent für Cent und Euro für Euro unsere Gemeinschaftskasse um Milliardenbeträge prellen. Wollen wir, dass halbseidene Gestalten im öffentlichen Auftrag an unseren Türen klingeln und uns fragen, ob der Nachbar eine Putzhilfe beschäftigt? Wäre das zur Erhöhung der Steuerehrlichkeit und zur Verfolgung von Steuersündern auch angebracht?
Bund und Länder tun sich auf Dauer jedenfalls keinen Gefallen, wenn sie ihre berechtigten Ansprüche mithilfe fragwürdiger Praktiken durchzusetzen versuchen. Stattdessen müssen sie im europäischen Zusammenhang auf weitere Abkommen setzen, um die Steuerhinterziehung zu bekämpfen.
Und darüber hinaus weiß wohl jeder Einzelne von uns sehr genau, ob er der Staatskasse noch etwas schuldig ist.
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