Schwäbische Zeitung: Sammelsurium des Abkassierens - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Nun sind Wahlprogramme ja keine Gesetze. Selbst gewonnene Wahlen garantieren nicht die Umsetzung der Forderungen, mit denen vor allem das eigene Personal und erst danach die Bevölkerung am Wahltag überzeugt werden soll. Man schlage einmal die Wahlprogramme von Union und FDP von 2009 nach. Viel ist von den damaligen Postulaten nicht übriggeblieben.
Nichtsdestotrotz zeigen diese Positionierungs-Kataloge im Detail auf, wohin die Reise gehen soll. Bei den Grünen bestimmt mit dem Durchmarsch von Jürgen Trittin linke Ideologie die Richtung. Realpolitiker, die ernsthaft in Verantwortung stehen, hatten auf dem Parteitag keine Chance. Ministerpräsident Winfried Kretschmann oder Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer repräsentieren Minderheitenpositionen. Baden-Württemberg ist eben nicht die Bundesrepublik.
Wirtschaftliche Vernunft war in Berlin Fehlanzeige, praxisferner Dogmatismus ist, wie bei den Sozialdemokraten, auch bei den Grünen auf dem Vormarsch. Die Mehrheit überdreht die Schraube. Davor warnte Palmer, kräftige Buh-Rufe waren die Antwort. Die Grünen wollen regieren. Aber auf Bundesebene sind sie mit ihrer Staatsgläubigkeit und Rezepten aus dem vergangenen Jahrhundert nicht regierungsfähig.
Aktuelle grüne Kurzformel: Bei den Reichen soll abkassiert werden, damit die Armen endlich Perspektiven bekommen. Klingt gut, ist es aber nicht. Wer sich die Beschlüsse anschaut, bemerkt schnell, dass Reich eben ganz nach dem eigenen Geschmack definiert werden kann. Die absoluten Topverdiener wird die Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht wirklich treffen, auch nicht das Ende des Ehegattensplittings oder die kräftige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze bei den Sozialversicherungen.
Dieses fröhlich beschlossene Sammelsurium des Abkassierens inklusive der Vermögenssteuer trifft den hiesigen Mittelstand. Und es wird viele Arbeitsplätze von denen vernichten, die vermeintlich von den Grünen besonders engagiert vertreten werden. Kretschmann weiß das, auch wenn er dem Parteifrieden zuliebe gestern zurückgerudert ist.
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