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Schwäbische Zeitung: Das Verfahren als Chance - Leitartikel

Ravensburg (ots)

Bräuchte es noch ein Argument für den Kampf gegen Rechts - die Neonazis, die gestern zum Start des NSU-Prozesses in München zynisch grinsend Opferangehörige provoziert und den Rechtsstaat herausgefordert haben, sind alleine Grund genug für den Aufstand der Aufrechten gegen die Faschisten.

Genauso wichtig wie ziviles Engagement ist die umfassende rechtsstaatliche Aufarbeitung der NSU-Verbrechen. Wer aber in München schnelle Antworten erwartet, dürfte ebenso rasch enttäuscht sein: Die mutmaßlichen Haupttäter sind tot; Zschäpe, Wohlleben und die drei Mitangeklagten offenbar entschlossen, den bis 2014 terminierten Prozess weiter zu verschleppen.

In den nächsten Monaten wird das mediale Interesse am Verfahren in der Münchner Justiz-Betonburg abnehmen. Langwierige Beweisführungen und juristische Tricks der Verteidiger werden die Opferangehörigen weiter quälen. Doch die Verzögerung kann auch eine Chance für das Gericht werden, den Prozess in ruhigere Bahnen zu lenken. Denn der Bedarf an einer juristisch sauberen Aufarbeitung ist gewaltig - selbst wenn diese einhergeht mit Provokationen - die ein Rechtsstaat zähneknirschend hinnehmen kann.

Bleibt die Frage, ob das alles sein muss. Muss man in den Wunden, die der NSU-Terror gerissen hat, weiter wühlen? Muss man Tourismusregionen wie Thüringen, Bayern oder Baden-Württemberg immer wieder mit Berichten über rechte Morde, fehlgeleitete V-Leute und unklare Ku-Klux-Klan-Verbindungen beschmutzen?

Ja, man muss. Es gibt viele Argumente für Wachsamkeit: Neonazis, die bei Fasnetszügen mitmarschieren, "national befreite" Zonen vornehmlich im Osten und die Zunahme rechter Gewalt in Deutschland. Die Neonazis wollen unseren Rechtsstaat beseitigen, nicht mehr und nicht weniger. Mal treten sie im Schafspelz der NPD auf, mal unterm Deckmantel von Internetnetzwerken. Ihr Ziel bleibt dasselbe. Nichts zeigt das besser als das zynische Grinsen des verurteilten und unverbesserlich gebliebenen Rechtsterroristen in München.

Pressekontakt:

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Telefon: 0751/2955 1500
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