Schwäbische Zeitung: Dem Fußball sei Dank - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Wenn an diesem Wochenende über 100 000 deutsche Fans in die britische Hauptstadt reisen, um den FC Bayern München oder Borussia Dortmund zu feiern oder zu trösten, führt das auch zu dem, was man altmodisch Völkerverständigung nennt.
Einfach war das Verhältnis zwischen den "Tommies", wie die Deutschen die Briten nannten, und den "Krauts" im 20. Jahrhundert nicht. Zwar schützte die Insellage die Briten während des Dritten Reiches vor der Gestapo und auch fuhren von der Insel keine Deportationszüge nach Auschwitz. Sie erlebten weniger Grauen als die Franzosen oder die Niederländer. Aber die menschlichen Verluste, die das Vereinigte Königreich zu erleiden hatte, prägten auf Jahrzehnte hinaus das Bild vom hässlichen und hinterhältigen Deutschen in Großbritannien. Der mochte zwar gutes Bier brauen, aber er hatte schließlich auch Angriffe auf London geflogen.
Doch Schüleraustausch, Sprachkurse und Handel haben in den vergangenen Jahrzehnten zu Annäherung geführt. Heute wollen die Deutschen gerne so cool sein wie die nahen Nachbarn auf der Insel. Die Briten schauen bewundernd auf das deutsche Wachstum, auch wenn der angedrohte Austritt aus der EU ihre eigenen Wirtschaftsaussichten nicht gerade verbessert.
Beim Fußball aber verstehen die Briten eigentlich selber keinen Spaß. Schließlich haben sie dieses Spiel einst erfunden. Dass nun ausgerechnet zwei deutsche Teams sich mit Bravour ins Finale der Champions League gespielt haben, verschlägt manchem Inselbewohner die Sprache. Normalerweise spotten die Briten ja über deutschen Fußball als wäre der ein drittklassiges Faustball-Turnier. Das hat sich durch die Bayern und die Dortmunder schlagartig gewandelt, jetzt wird gelobt und geschwärmt. Und so wird hoffentlich das Fest im Wembley-Stadion ganz nebenbei auch noch demonstrieren, dass zwischen Briten und Deutschen, zwischen Tommies und Krauts, heute so viel Sympathie herrscht wie noch nie. Dem Fußball sei Dank!
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