Schwäbische Zeitung: Zwei Revolutionäre - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Mit Johannes XXIII. und Johannes Paul II. bekommt die Kirche zwei neue Heilige, die als Päpste das Lebensgefühl der heute lebenden katholischen Christen entscheidend geprägt haben. Papst Johannes hat mit dem Konzil die Türen der Kirche geöffnet, ohne Papst Johannes Paul wäre die Wende in Europa nicht denkbar gewesen. Beide Päpste zeichnet ihre Persönlichkeit aus, besonders ihr Mut zur Veränderung.
Den "guten Papst" Johannes XXIII. hatten die Kardinäle 1958 eigentlich nur als harmlosen Übergangspontifex gewählt. Nach der als kalt empfundenen Ära der Pius-Päpste überraschte er die Welt durch den für das damals herrschende katholische Lebensgefühl revolutionären Wandel, dass sich die Kirche für die Welt öffnen müsse. Das Konzil, das er 1962 einberief, dessen Ende 1965 er aber nicht mehr erlebte, sorgte für eine ungeheure, bis dato nie erlebte Aufbruchsstimmung. Plötzlich war die Kirche in sozialen Fragen präsent, wandte sich den Freuden, den Hoffnungen, den Ängsten und Problemen der Menschen zu.
Heute, fast 50 Jahre nach Konzils-ende, herrscht Ernüchterung. Viele Ziele, wie die stärkere Beteiligung der Laien, sind nicht erreicht worden. Von Aufbruch keine Spur mehr. Diese Entwicklung wird auch dem 1978 gewählten Papst Johannes Paul II. zugeschrieben, der kirchenpolitisch als Hardliner galt. Der unbeugsame und unerschrockene Pole auf der Kathedra Petri aber wird als der charismatische Papst in die Geschichte eingehen, der die Menschen nicht nur in seiner polnischen Heimat ermutigte, sich gegen das kommunistische Regime aufzulehnen. Zehn Jahre nach dem ersten Besuch des Papstes in Polen 1980 war der Eiserne Vorhang in Europa Geschichte.
Heilige sind Vorbilder, sollen den Christen als Leitbilder dienen. Johannes XXIII. und Johannes Paul II. sind auf ihre je ganz eigene Art Revolutionäre gewesen. Wer sich von ihnen leiten lassen will, wird manchen menschlichen Punkt des Anstoßes finden. Vor allem aber überzeugen beide Päpste durch ihre Visionen, die dann zu Taten führten.
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