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Schwäbische Zeitung: Risiko direkte Demokratie - Leitartikel

Ravensburg (ots)

Das passt ja: Gerade haben einige Tausend Bayern die Bewerbung Münchens um die Winterspiele 2022 vom Tisch gefegt, da verspricht der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, die Bürger künftig bayernweit darüber abstimmen zu lassen, ob ihnen ein Projekt behagt oder eben nicht. "Modern" findet das der bayerische Landeschef und vorbildlich sowieso. Da fragt man sich doch: Hat Seehofer nichts kapiert? Das aktuelle Votum gegen Olympia und im vergangenen Jahr gegen die dritte Startbahn im Erdinger Moos, das sind doch klare Signale. Offensichtlich schätzen die Bayern keine Großprojekte vor der Haustür, erst recht nicht, wenn sie mit Milliardenkosten verbunden sind. Aber genau das weiß der CSU-Landeschef. Deshalb ist sein Ansinnen, künftig bayernweit über Sachfragen abstimmen zu lassen, keineswegs politisch naiv. Wenn sein Kalkül aufgeht, verschafft er sich so Mehrheiten für umstrittene Projekte - ohne dafür den Kopf hinhalten zu müssen. Ein Augsburger wäre vielleicht gern zu den Olympischen Spielen in nächster Nähe gefahren - und hätte folglich für die Bewerbung gestimmt. Seehofers Plan, die Bürger stärker an politischen Entscheidungen zu beteiligen, ist aber auch mit Risiken verbunden. Denn direkte Demokratie bedeutet in vielen Fällen, dass eine Minderheit über die Mehrheit entscheidet - wie jetzt im Falle der Olympia-Bewerbung. Für das deutsche Image wäre es wahrscheinlich förderlich gewesen, in der bayerischen Alpenregion und in München die Winterspiele auszurichten. Doch die Menschen dort haben Nein gesagt - und somit für rund 82 Millionen Menschen in der Bundesrepublik entschieden. Auch das ist direkte Demokratie. Fakt ist: Die meisten Großprojekte werden inzwischen mit Unbehagen und der Furcht verfolgt, dass die Kosten für den Steuerzahler aus dem Ruder laufen. Diesen Ängsten die Ursache zu nehmen, das wäre eigentlich die Aufgabe der Politik. Wenn Seehofer nun der Bürgerbeteiligung das Wort redet, heißt das nur: Selbst schuld, Bürger, wenn nichts zustande kommt.

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