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Schwäbische Zeitung: Leitartikel - Auch Putin muss Kritik ertragen

Ravensburg (ots)

Es ist eine eher zufällig wirkende Koalition, die sich dafür entschieden hat, den Olympischen Spielen in Sotschi fernzubleiben. Nach Bundespräsident Joachim Gauck, Frankreichs Präsident François Hollande und der EU-Justizkommissarin Viviane Reding wird nun auch aus der US-amerikanischen Administration kein hochrangiger Vertreter nach Russland reisen. Stattdessen sollen zwei lesbische Sportlerinnen der US-Delegation angehören.

Man mag lästern, dass all dies Symbolpolitik sei, die nicht praktisch unterfüttert sei. Doch es ist ein Fortschritt, wenn der Westen auch einmal offen klarmacht, dass ihm die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht passt - und das ohne brutale Kalte-Kriegs-Rhetorik, sondern durch deutliche Zeichen. In Russland liegt einiges im Argen. Der diskriminierende Umgang mit Homosexuellen, mit den Medien und der Opposition - all das ist mit westlichen Standards nicht kompatibel. Dass es einen Egomanen wie Putin außerdem stört, wenn wichtige Staatschefs "seinen" Olympischen Spielen fernbleiben, liegt auf der Hand. Das eisige Schweigen aus dem Kreml derzeit ist eher ein Indiz dafür, dass die Absagen Putin gewaltig ärgern, als dass sie ihm egal wären.

Allerdings wäre der Protest noch durchdringender, wenn Gauck, Hollande und Obama - so wie Reding es tat - offen sagen würden, dass sie wegen der Menschenrechtsproblematik zu Hause bleiben. So stehen die Absagen ohne Begründung im Raum, und auch die Sportler wissen nicht, woran sie sind. Den Athleten den Rücken zu stärken und gleichzeitig gut begründet nicht nach Sotschi zu fahren, wäre die richtige Strategie.

Russland will von der Weltgemeinschaft als eine Supermacht ernst genommen werden, die sie schon lange nicht mehr ist. Zum Ernstnehmen gehört aber auch deutliche Kritik. Vielleicht machen die westlichen Staats- und Regierungschefs in Sotschi besser, was sie 2008 bei Olympia in Peking so sträflich falsch gemacht haben - als viele von ihnen applaudierten, während ein Regime sich selbst zelebrierte.

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