Schwäbische Zeitung: Kommentar: Mangelwirtschaft auf freiem Markt
Ravensburg (ots)
Der Kapitalismus erlebt eine Mangelwirtschaft. Die Pharmabranche ist mittlerweile dermaßen stark auf Effizienz und Kostenmanagement getrimmt, dass es immer häufiger zu Lieferengpässen kommt. Das ist in den meisten Fällen zwar nicht dramatisch, weil es viele alternative Angebote gibt. Doch immer häufiger sind auch Präparate nicht lieferbar, auf die zum Beispiel Krebspatienten dringend angewiesen sind und die nicht durch andere ersetzt werden können. Auch bei Impfstoffen zeichnen Apotheker ein Bild der leergeräumten Lager. Im Ernstfall kann dies auch dramatische Folgen haben, weil die Produktion neuer Chargen nicht auf Knopfdruck in Gang gesetzt werden kann, sondern lange dauert.
Das freie Spiel des Marktes trägt zu dieser Entwicklung bei. Die Pharmaunternehmen wollen möglichst viel verdienen. Lagerhaltung wird von den öffentlichen Gesundheitssystemen nicht mehr bezahlt. Also wird nur so viel produziert, wie vermutlich auch abgesetzt werden kann. Und die Pillen werden dort gedreht, wo es am billigsten ist. Wenn dann in China eine Werksanlage ausfällt oder wichtige Transportwege durch Konflikte unpassierbar sind, fehlen in Europa schnell die eingeplanten Arzneien.
Bei Krebsmitteln ist die Logik der Gewinnmaximierung anscheinend noch brutaler. An Medikamenten, für die der Patentschutz ausgelaufen ist, verdienen die Pharmariesen zu wenig. Das behaupten zumindest Kritiker der Branche. Lieber bringen die Unternehmen teure, aber noch nicht vollkommen ausgefeilte neue Arzneien auf den Markt und stellen die bewährten Mittel nicht mehr her. Schließlich steht auch noch der Verdacht mancher Apotheker im Raum, die Hersteller würden die vorhandenen Mengen in das Land liefern, in dem sie am meisten damit verdienen. Und das ist in unserem Land der Zwangsrabatte nicht mehr immer der Fall.
Wo der Markt versagt, sollte der Staat steuernd eingreifen. Doch man darf sich keinen Illusionen hingeben: Leicht ist die Steuerung einer global agierenden Branche nicht.
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