Schwäbische Zeitung: Kommentar: Kopflose Netzpolitik
Ravensburg (ots)
Es war vor rund einem Monat auf der Computermesse Cebit. Groß hatte die Bundesregierung angekündigt, dort ihre digitale Agenda vorzustellen. Gleich drei Bundesminister reisten nach Hannover: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Innenminister Thomas de Maizière und Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Leider brach die Liveübertragung des Gesprächs wegen technischer Probleme ab. Ein symbolischer Zwischenfall für die Netzpolitik der Großen Koalition. Auf den Posten der Datenschutzbeauftragten hat die CDU eine der ihren gehievt, die ihrem unbequemen, weil sachkundigen Vorgänger Peter Schaar bislang in allem nachsteht. Alexander Dobrindt darf sich Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur nennen, hatte aber vor Amtsantritt nicht einmal ein Profil bei dem von netzpolitischen Lobbyisten und Experten rege genutzten Nachrichtendienst Twitter. Der Innenminister und die Kanzlerin wiegelten beim NSA-Überwachungsskandal lange ab, bevor sie dessen Brisanz überhaupt zugaben. Dabei gibt es beim Thema Internet jede Menge Baustellen. Das hat der jetzt aufgedeckte Diebstahl von 18 Millionen E-Mail-Passwörtern erneut gezeigt. Was kann der Staat tun, um Daten seiner Bürger zu schützen? Wo schnüren Maßnahmen, die zum Schutz beitragen sollen, die Freiheit im Netz ab? Solche und andere Fragen sollen von jemandem bearbeitet werden, der die Kultur des Netzes kennt. Der die Chancen des Webs schätzt, aber auch die zahlreichen Probleme kennt. Denn spektakuläre Kriminalfälle wie der aktuelle zeigen nur die offensichtlichen Gefahren. Heutzutage werden freiwillig preisgegebene Daten munter kombiniert, um mehr über Verbraucher zu erfahren - Stichwort Big Data. Es gibt im Internet keine letzte Sicherheit vor Pornografie, Datenklau und Betrug. Deshalb ist die Gefahr groß, dass sich jene durchsetzen, denen Sperren und Überwachung näher sind als ein freies Netz. Doch dessen Chancen sind größer als die Gefahren. Ein Regierungsvertreter, der all das glaubwürdig angehen und erklären kann, ist nicht in Sicht.
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