Schwäbische Zeitung: Die Mörder nicht gewinnen lassen
Ravensburg (ots)
Die letzte Twitter-Meldung vor dem Attentat hatte die Redaktion um 11:28 Uhr gesendet. Das Satiremagazin "Charlie Hebdo" machte sich in einer Karikatur über Abu Bakr al-Baghdadi lustig, den Chef der Terrororganisation Islamischer Staat. Kurz darauf schlugen die maskierten Attentäter in Paris zu, um wie sie gerufen haben sollen "den Propheten" zu rächen.
Die bewusste Provokation und der ätzende Spott gegenüber allem und jedem, gegenüber Autoritäten und Religionen, auch gegenüber dem Propheten Mohammed, haben die Journalisten des "Charlie Hebdo" am Mittwoch zu Opfern gemacht. Die politischen Folgen des blutigen Anschlags werden schwer wiegen: die Rechtspopulistin Marine Le Pen hat gute Chancen, zur nächsten Präsidentin Frankreichs gewählt zu werden. Das Misstrauen gegenüber Menschen aus Nordafrika oder dem Nahen Osten wird nicht nur in Frankreich dramatisch zunehmen. Und mal sehen, wie viele Teilnehmer auf der nächsten Pegida-Demonstration in Dresden mit dem Gefühl antreten, sie hätten es ja schon immer gewusst. Nur war in Paris eine Mörderbande am Werk, nicht friedliche muslimische Mitbürger.
Wer eine Zeitungsredaktion angreift, attackiert eben auch die Meinungsfreiheit und die Toleranz, er missachtet das Recht zur Provokation und verneint die Lust an der Debatte. Die freie Meinungsäußerung ist eine der großen Errungenschaften der bürgerlichen Revolutionen in Europa - einzigartig und überhaupt nicht verhandelbar.
Was guter Geschmack ist, darüber lässt sich streiten. Dass eine Mohammed-Karikatur von einigen als herabsetzend empfunden werden mag, so wie vor Jahren die "Satanischen Verse" von Salman Rushdie als blasphemisch, mag sein. Darauf mit politisch korrektem Schweigen, mit Angst und Kuschen zu reagieren, wäre falsch. Denn das würde vor allem die Debatte und die freie Meinungsäußerung ersticken, ganz im Sinne jener, die an diesem traurigen Mittwoch in der Rue de Nicolas Apperta getötet haben. Die Mörderbande von Paris hätte gewonnen.
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