All Stories
Follow
Subscribe to Schwäbische Zeitung

Schwäbische Zeitung

Schwäbische Zeitung: Draghis Verzweiflungstat - Leitartikel

Ravensburg (ots)

Die Europäische Zentralbank hat sich zu einer Machtdemonstration hinreißen lassen, die viele Deutsche als Verzweiflungstat werten. Mehr als eine Billion Euro pumpen die Währungshüter bis Herbst kommenden Jahres in den Markt. Der ebenso experimentierfreudige wie wagemutige EZB-Präsident Mario Draghi hat sich durchgesetzt. Er darf den Euro zu einer Weichwährung machen. Der Jubel von Börsenspekulanten, Exporteuren und südeuropäischen Politiker ist ihm gewiss.

Die Deutschen dagegen sind international isoliert, ihre Forderung nach einem harten Euro will niemand mehr hören. Gescheitert ist der standhafte Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der Europas Probleme nicht über die Notenpresse lösen will. Hinfällig sind die Versprechen der Bundeskanzlerin, finanzielle Hilfe an Reformen zu knüpfen. Nun gibt es Abermilliarden kostenlos, der Euro wird im Dienste einer vermeintlich höheren Sache willentlich geschwächt. Die pragmatische EZB fühlt sich darbenden Unternehmern in Frankreich und italienischen Arbeitslosen mehr verpflichtet als deutschen Sparern.

Dabei haben Draghis Widersacher gute Argumente auf ihrer Seite: Niedrige Zinsen machen es südeuropäischen Länder zu einfach, neue Kredite aufzunehmen. Statt ihre Staatsfinanzen und aufgeblähten Sozialsysteme in Ordnung zu bringen, können sie sich auf Pump durchwurschteln. Oder vornehm ausgedrückt: Die EZB erkauft den Krisenländern weitere Zeit für Reformen.

Draghi balanciert auf einem schmalen Grat zwischen erlaubter Geldpolitik und verbotener Wirtschaftspolitik. Der Erwerb von Anleihen ist rechtens, um den Wert des Geldes stabil zuhalten. Schuldscheine aber aufzukaufen, um die Konjunktur maroder Länder in Schwung zu bringen, das gehört nicht zur Aufgabe der EZB. Mit den Beschlüssen vom Donnerstag hat sich die EZB endgültig in den Dienst politischer Ziele gestellt. Die Bundesbank ist einen zweiten Tod gestorben. Nur wenn Europas Wirtschaft endlich anspringt, war es dieses Opfer wert.

Pressekontakt:

Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de

Original content of: Schwäbische Zeitung, transmitted by news aktuell

More stories: Schwäbische Zeitung
More stories: Schwäbische Zeitung
  • 21.01.2015 – 19:57

    Schwäbische Zeitung: Neues Gesetz ist überflüssig

    Ravensburg (ots) - Innenminister de Maizière hat Recht. Bevor der Gesetzgeber sich an die Arbeit macht, sollte man fragen, was sich durch ein neues Einwanderungsgesetz ändern würde. Die Antwort heißt: Voraussichtlich nichts. Denn Deutschland hat bereits ein Einwanderungsgesetz, nur dass es Aufenthaltsgesetz heißt. Schon heute ist geregelt, dass bei Zuzug nach Deutschland die Interessen der Bundesrepublik ...

  • 21.01.2015 – 19:54

    Schwäbische Zeitung: Pegida hat sich selbst entlarvt

    Ravensburg (ots) - Der Skandal um den ehemaligen Pegida-Chef Lutz Bachmann spricht Bände. Die Islamkritiker, die das Sorgenventil einfacher Menschen sein möchten, haben sich selbst entlarvt. Auch im Ausland schütteln viele die Köpfe. Der schnelle Rücktritt des Mannes, der Ausländer als "Viehzeug" beschimpft haben soll, hilft den "abendländischen" Demonstranten nicht. Das bizarre Facebook-Bild von Bachmann, gestylt ...

  • 20.01.2015 – 18:49

    Schwäbische Zeitung: Die Leiden der Konservativen - Leitartikel

    Ravensburg (ots) - Jede Wette: Ließe die CDU ihre Mitglieder über den Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" abstimmen, er fände keine Mehrheit. Doch CDU-Chefin Angela Merkel höchstpersönlich hat ihn ausgesprochen, was ihn zwar nicht zwingend richtiger macht, aber ihm Gewicht gibt. So bleibt es in der CDU nach innen bei einem lauten Murren, nach außen aber bei nur moderater Kritik nach dem Motto: Muslime gehören ...