Schwäbische Zeitung: "Verhaltener Jubel" - Leitartikel zur Atom-Einigung mit dem Iran
Ravensburg (ots)
Dutzende Male standen die Atom-Gespräche mit Iran in den vergangenen Jahren kurz vor dem Scheitern. Mal ließ Irans damaliger Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Gespräche platzen, mal funkte Ex-US-Präsident George W. Bush dazwischen, dann wieder waren die Russen nicht zufrieden und irgendwann meldeten sich auch die Israelis, die - berechtigte - Sorge hatten, dass eine iranische Atombombe zur Bedrohung für den jüdischen Staat werden würde.
Dass man sich am Dienstag in Wien auf Inspektionen zur Kontrolle des iranischen Atomprogramms geeinigt hat, ist erst einmal eine gute Nachricht. Alle Beteiligten waren vom Verhandeln müde, das hat den Erfolgsdruck erhöht. Außerdem sind derzeit in Washington und Teheran aufgeklärte, pragmatische Politiker am Ruder. Sie wissen, dass eine iranische Bombe kaum zu verhindern sein wird. Aber sie wissen auch, dass die mit dem Atomvertrag verbundene schrittweise Aufhebung der Sanktionen der iranischen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen könnte. Das Volk wäre zufrieden, die Reformer in Teheran wären gestärkt, die Islamische Republik und der Westen könnten Partner werden.
Auch die Wirtschaft im Südwesten würde profitieren, wenn die Sanktionen verschwinden. Doch zunächst sollte in den Exportabteilungen in Biberach oder Friedrichshafen ein wenig abgewartet werden. Denn der Jubel von Wien, mit einem völlig gelösten iranischen Außenminister, kann sehr schnell verfliegen, weil es viele gibt, die gegen eine Einigung sind: Die Konservativen im US-Kongress könnten den Vertrag zu Fall bringen. Die Konservativen in Teheran, allen voran Revolutionsführer Ayatollah Khamenei, könnten Präsident Rohani diskreditieren, wenn die desolate Wirtschaftslage sich nicht bald bessert. Schließlich und endlich könnte Jerusalem mit einem seit langer Zeit vorbereiteten Luftschlag das iranische Atomprogramm zerstören.
Damit wäre der kurze Wiener Frühling wieder beendet, bevor er begonnen hat. Darum - jubeln können Iran und der Westen, wenn alle mitmachen und der Vertrag hält.
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