Schwäbische Zeitung: "Frauen müssen Macht auch wollen" - Leitartikel zum Gesetz zur Chancengleichheit
Ravensburg (ots)
Hunderttausende Flüchtlinge suchen in unserem Land Schutz vor Krieg und Elend in ihrer Heimat, und es ist sehr wichtig - so die einhellige Meinung in unserer Gesellschaft -, diesen Menschen sehr schnell unsere Formen des Zusammenlebens zu erklären. Zentral ist dabei die Gleichstellung der Geschlechter - eine große Errungenschaft, die heute hoffentlich niemand mehr infrage stellt.
Was durch das Grundgesetz garantiert ist, ist allerdings in so manchen Bereichen unseres Lebens noch nicht angekommen. Beispiel Kindererziehung: Es tut sich einiges, und doch sind es weiter vornehmlich die Mütter, die sich aus der Berufswelt ausklinken und zu Hause bleiben. Beispiel Berufswelt: Frauen sind heute genauso gut ausgebildet wie Männer, aber man sieht sie deutlich seltener in Spitzenpositionen von Unternehmen.
Seit diesem Jahr gibt es zwar eine Frauenquote für die Aufsichtsräte der größten börsennotierten Unternehmen, doch das ist der grün-roten Landesregierung nicht genug. Sie will ein Vorbild bei der Gleichstellung sein und stellt ein Gesetz zur Chancengleichheit im öffentlichen Dienst vor.
Bei all diesen gesetzlichen Regelungen drängt sich allerdings die Frage auf: Warum das Ganze? Warum bedarf es im Jahr 2015 eines Gesetzes, das Frauen in der Verwaltung Richtung Spitze katapultiert?
Jedem Menschen steht in unserem Land, ganz unabhängig vom Geschlecht, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung offen - auch zur beruflichen. Dazu gehört aber auch, nicht nur einfach brav seinen Job zu machen, sondern auch mal zu kämpfen: für mehr Gehalt, für den besseren Posten, für sich selbst. Daran hapert es oft bei Frauen, werden Experten nicht müde zu beklagen. Sie seien die Sozialwesen, denen es schwer falle, Forderungen zu stellen, zumal für sich selbst.
Deshalb ist es dringend notwendig, solch erlernte oder zugeschriebene Rollenmuster zu überwinden. Gesetze allein bringen aber keinen Fortschritt. Frauen müssen Macht auch wollen.
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