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Schwäbische Zeitung: Schöner streiten - Leitartikel zu Grün/Schwarz in Stuttgart

Ravensburg (ots)

Große Kräche oder große Würfe: Wer das von der grün-schwarzen Regierung erwartet hat, der wurde im ersten Jahr ihrer Amtszeit enttäuscht. Der Unterhaltungswert ist gering. Doch gerade das ist eine gute Nachricht.

Natürlich hat es Grün-Schwarz momentan leicht. Die Kassen sind prall gefüllt. Jeder bekommt Geld für seine Herzenswünsche. Selbst die Streitthemen waren von vorneherein kalkulierbar: bei der Bildung, bei Abschiebungen, beim Feinstaub. Konflikte tragen die Protagonisten fast pflichtgemäß aus, um grüne und schwarze Seelen zu streicheln. Bevor es zu schlimm kommt, rufen Landesvater Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Vize Thomas Strobl (CDU) zur Räson.

Doch vor einem Jahr hätte kaum jemand erwartet, dass diese Partner nach jahrelangem Gerangel überhaupt zusammenkommen. Auch unter dem Eindruck von 15 Prozent Zustimmung für die AfD einigten sich die politischen Gegner jedoch auf eine Zusammenarbeit. Was passiert, wenn politische Lager, ja eine Gesellschaft nicht mehr fähig ist zum Kompromiss, zeigen die USA und Frankreich. Ein verantwortungsloser Populist wie Donald Trump schien vielen Wählern attraktiv - weil man den etablierten Kandidaten keine Lösungen zutraute nach Jahren des Lagerdenkens. In Frankreich ist konstruktive Zusammenarbeit zwischen Linken und Konservativen die Ausnahme, Kompromisse gelten als Niederlage. Das hat in Paris fast Populisten an die Macht gebracht.

Lösungen für komplexe Probleme zu finden ist zäh. Es ist gut, dass Grüne und CDU diese Mühen auf sich nehmen. Es heißt, alte Glaubenssätze daraufhin zu überprüfen, ob sie aktuellen Problemen noch gerecht werden. Das bedeutet keineswegs, dass sich Politiker von klaren Positionen verabschieden sollten. Warum nicht sagen, wo man verschiedener Meinung ist und wieso? An diesem Punkt hapert es bei Grün-Schwarz: Oft redet man den Dissens klein, obwohl er offensichtlich ist. Das macht unglaubwürdig. Konflikt ist nicht an sich schlecht, schlecht ist nur, ihn unsauber auszutragen.

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