Schwäbische Zeitung: Immerhin ein Versuch - Leitartikel zu Pflegenotstand
Ravensburg (ots)
Dass der Pflegenotstand in Deutschland bereits Realität ist, wissen Praktiker, Betroffene und Politiker seit Jahren. Die Arbeit in Alten- und Pflegeheimen ist wenig begehrt, und es wird immer schwieriger, für diese Einrichtungen qualifiziertes Personal zu bekommen. Zugleich treffen immer mehr Pflegebedürftige auf immer weniger Menschen, die willens sind, diese schwierige, zum Teil auch körperlich und psychisch belastende Aufgabe auf sich zu nehmen. Ein schlimmes Szenario: Denn schon jetzt klagen viele Altenpfleger über ihre Arbeitsbedingungen. Dass sie viel zu wenig Zeit haben, sich um die Bewohner im Heim zu kümmern, dass die ihnen abverlangte Bürokratie überbordend geworden ist. Die Klage über das schlechte Gehalt als Pflegekraft steht dabei oft nicht an erster Stelle.
Die schwarz-rote Koalition hat sich nun der Pflegeausbildung angenommen. Zwar wird sich erst in einigen Jahren zeigen, ob die Reform, die von 2020 an gilt, in der Praxis etwas bringt. Aber immerhin wird dem Thema Pflege inzwischen mehr der Stellenwert eingeräumt, den es seit vielen Jahren verdient hätte. Es ist in Berlin angekommen, dass sich der Pflegenotstand und die unbefriedigenden Arbeitsverhältnisse in der Pflege nicht einfach aussitzen lassen. Davor noch länger die Augen zu verschließen, wäre auch schlicht töricht. Der überwiegende Teil der Entscheidungsträger in Deutschland kann sich ausrechnen, wann er selbst auf Hilfe angewiesen sein wird.
Dass die Reform vorsieht, die Pflegeausbildung zu generalisieren, ist ein Versuch, mehr Menschen für die Altenpflege zu begeistern. Ob das funktioniert, wird sich zeigen - manche Berufsvertreter befürchten genau das Gegenteil. Aber davon abgesehen ist es durchaus sinnvoll, Ausbildungsinhalte zusammenzulegen, wenn immer mehr Demenzkranke in Kliniken und chronisch Kranke in Altenheimen zu betreuen sind. Und sollte die gesetzliche Neuregelung den Effekt haben, dass aufgrund des Konkurrenzdrucks Altenpfleger tatsächlich mehr Geld bekommen, wäre dies sicherlich auch kein Fehler. Verdient hätten sie es allemal.
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