Save the Children Deutschland e.V.
Afghanistan: Jedes dritte Kind wird 2024 hungern müssen
Berlin/Kabul (ots)
Fast acht Millionen Kinder in Afghanistan werden zu Beginn des neuen Jahres in eine Hungerkrise geraten. Das fürchtet die Kinderrechtsorganisation Save the Children und fordert die internationale Gemeinschaft zur Aufstockung ihrer humanitären Hilfe auf, um in diesem Winter Leben zu retten.
Nach neuen Zahlen der Integrated Food Security Phase Classification (IPC) von gestern werden schätzungsweise 15,8 Millionen Menschen - mehr als ein Drittel der Landesbevölkerung - bis März 2024 von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sein. Fast die Hälfte davon sind Kinder. Hinzu kommen die tiefen Temperaturen mit bis zu Minus 30 Grad, die besonders diejenigen bedrohen, die bereits zuvor durch Dürren, Erdbeben und wirtschaftliche Not geplagt waren.
"Wir wissen nicht, wie wir diesen Winter überleben sollen", sagt Edris* (30), der mit seiner Familie seit den verheerenden Beben im Oktober in der Provinz Herat in einem behelfsmäßigen Zelt wohnt. Ohne Unterstand wird sein Vieh vermutlich verenden und damit die wichtigste Einkommensquelle der Familie wegbrechen - ein Schicksal stellvertretend für viele.
Zur Halbzeit des Koalitionsvertrages sieht Save the Children hier auch die deutsche Bundesregierung in der Pflicht, die sich in der Vereinbarung vor zwei Jahren zur Fortsetzung ihres Engagements für Afghanistan verpflichtet hatte.
"Als zentraler Akteur und zweitgrößter Geber für Afghanistan muss Deutschland dieses Versprechen noch ernster nehmen", sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Save the Children Deutschland, der das Land vor kurzem besucht hat. "Es braucht ein klares Konzept für langfristiges Engagement, das humanitäre Hilfe, entwicklungspolitische Instrumente und die Stärkung von Menschenrechten gleichermaßen berücksichtigt - und natürlich eine entsprechende Finanzierung vorsieht. Gelingen kann das nur, wenn die Bundesregierung eng mit der afghanischen Zivilgesellschaft, lokalen und internationalen Organisationen und anderen Geberstaaten zusammenarbeitet."
Afghanistan musste 2023 dreimal hintereinander Kürzungen der Nahrungsmittelhilfe hinnehmen und sieht sich zudem mit immer mehr Rückkehrenden aus Pakistan und dem Iran konfrontiert; viele von ihnen stehen nun vor dem Nichts. Rund 460.000 Menschen haben seit September die Grenze überquert, nachdem Pakistan alle ausländischen Staatsbürger*innen ohne Papiere aufgefordert hatte, das Land zu verlassen. Dort harren sie nun unter schwierigsten Bedingungen in provisorischen Lagern aus. Weitere 345.000 kehrten nach Angaben der De-facto-Behörden aus dem Iran zurück.
Save the Children unterstützt seit 1976 Gemeinden in Afghanistan. Die Kinderrechtsorganisation betreibt Programme in neun Provinzen und arbeitet mit Partnern in weiteren sieben Provinzen zusammen.
Hinweis für die Redaktion:
Die "Integrated Food Security Phase Classification" (IPC) ist eine international anerkannte Methode, um das Ausmaß und die Schwere von Mangelernährung und Hunger zu klassifizieren und notwendige Hilfsmaßnahmen abzuleiten. Sie ordnet die Ernährungssicherheit von Haushalten in einer Region in eine fünfstufige Skala ein. Im jüngsten IPC-Bericht für Afghanistan wird geschätzt, dass im Oktober 2023 rund 13,1 Millionen Menschen in hohem Maß an akuter Ernährungsunsicherheit litten (IPC 3 oder höher). Diese Zahl wird voraussichtlich zwischen November 2023 und März 2024 auf 15,8 Millionen Menschen steigen.
* Name zum Schutz geändert
Über Save the Children
Im Nachkriegsjahr 1919 gründete die britische Sozialreformerin und Kinderrechtlerin Eglantyne Jebb Save the Children, um Kinder in Deutschland und Österreich vor dem Hungertod zu retten. Heute ist die inzwischen größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt in rund 120 Ländern tätig. Save the Children setzt sich ein für Kinder in Kriegen, Konflikten und Katastrophen. Für eine Welt, die die Rechte der Kinder achtet, in der alle Kinder gesund und sicher leben sowie frei und selbstbestimmt aufwachsen und lernen können - seit über 100 Jahren.
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