Save the Children Deutschland e.V.
Drei Jahre Krieg: Armut in der Ukraine massiv gestiegen
Berlin/Kyjiw (ots)
- Fast 75 Prozent der Menschen sind in finanzieller Not
- 55 Prozent haben Probleme, ihre Miete pünktlich zu zahlen
- Rund fünf Millionen Menschen werden in diesem Jahr von Ernährungsunsicherheit betroffen sein
Drei Jahre seit der Eskalation des Krieges in der Ukraine kommen fast 75 Prozent der Menschen kaum über die Runden. Familien können sich häufig keine nahrhaften Lebensmittel, Kleidung oder Reparaturen für ihre zerbombten Häuser leisten, und vor allem Frauen und Kinder leiden unter der wachsenden Armut. Dies geht aus Zahlen der Vereinten Nationen und einer aktuellen Bedarfsanalyse von Save the Children hervor.
Laut der Analyse der Kinderrechtsorganisation können 55 Prozent der 873 Befragten in der Ukraine ihre Miete nicht pünktlich zahlen und 46 Prozent sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen, um ihre Nebenkosten zu decken. Rund 42 Prozent der Haushalte haben Schwierigkeiten, an grundlegende Hygieneartikel wie Seife oder Shampoo zu kommen. Familien greifen in ihrer finanziellen Not teilweise zu verzweifelten Maßnahmen und sehen sich gezwungen, ihre Wohnung zu verkaufen, ihre Kinder ins Heim zu schicken oder risikoreicher Arbeit nachzugehen.
"Der Krieg in der Ukraine hat Kinder nicht nur vertrieben, ihre Schulen und Wohnhäuser zerstört, Angehörige und Freunde getötet und sie gezwungen, stundenlang voller Angst in eiskalten Schutzkellern auszuharren - er hat auch viele Kinder in Armut gestürzt", sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Save the Children Deutschland, der erst Ende vergangenen Jahres in der Ukraine war. "Ich habe Familien getroffen, die in zerstörten Häusern leben und sich die Reparaturen einfach nicht leisten können. Einige wissen nicht, woher ihre nächste Mahlzeit kommen soll, andere müssen nachts frieren, weil das Geld für Decken und Winterkleidung fehlt. Kinder leiden am meisten unter den Auswirkungen dieses Krieges - wir dürfen sie nicht im Stich lassen."
Millionen von Menschen in der Ukraine haben durch den Krieg ihre Arbeit verloren, insbesondere vertriebene Frauen. Die Gehälter sind von einem monatlichen Durchschnitt von 7.000 Hrywna (UAH) oder 160 Euro im Jahr 2022 auf 5.000 UAH (114 Euro) gesunken, während die Lebensmittelpreise drastisch gestiegen sind. So haben sich die Kosten für Kohl, Karotten und Kartoffeln seit 2022 mehr als verdoppelt. Schätzungen zufolge werden in diesem Jahr fast fünf Millionen Menschen in der Ukraine - davon 60 Prozent Frauen und Kinder - von Ernährungsunsicherheit betroffen sein. Die Situation ist für einige Familien so prekär, dass sie keine andere Wahl sehen, als ihre Kinder einem Heim oder Verwandten anzuvertrauen, damit sie sicher untergebracht und ausreichend ernährt werden.
Seit dem Tod ihrer Mutter und der Eskalation des Krieges, der sie aus ihrer Heimatregion Donezk vertrieb, lebt die 14-jährige Yara* zusammen mit ihrer Großmutter Raisa*, 61, in einer von 1.800 Sammelunterkünften in der Ukraine. Hier teilen sich Vertriebene unterschiedlichen Alters und Geschlechts Schlafsäle, Gemeinschaftsbäder und Küchen. Raisa sagt: "Es ging mir immer gut, aber dann ist mein Ehemann gestorben und ein Jahr später meine Tochter. Dann begann der Krieg und wir kamen in eine hoffnungslose Lage. Mit meiner Rente von 3.000 UAH (68 Euro) im Monat konnte ich nicht überleben. Die Preise sind in die Höhe geschossen. Ich fürchte, ich werde meinem Enkelkind nicht helfen können. Es ist sehr schwer für mich. Ich war noch nie in so einer Situation."
Save the Children fordert die Regierung der Ukraine und die internationale Gemeinschaft auf, Investitionen in Bildung, Gesundheit, Ernährung und soziale Unterstützung zu priorisieren. Nur so kann es gelingen, die Menschen aus der Armut zu holen, die Gesellschaft widerstandsfähiger zu machen und dafür zu sorgen, dass Kinder nicht aus der Not heraus von ihren Eltern getrennt werden.
Seit dem 24. Februar 2022 hat Save the Children seine Programme in der Ukraine erheblich ausgeweitet und mehr als 3,8 Millionen Kinder und Erwachsene unterstützt. Die Kinderrechtsorganisation hat den unmittelbaren Bedarf von Kindern und Familien durch die Bereitstellung von Bargeld-Nothilfen im Wert von insgesamt 60 Millionen US-Dollar, Nahrungsmitteln, sauberem Wasser, Hygieneartikeln und Winterausstattung gedeckt. Zudem bietet Save the Children unter anderem Bildungsprogramme an und leistet psychosoziale Unterstützung.
* Name zum Schutz geändert
Hinweis für die Redaktion:
- Für die Bedarfsanalyse sprach Save the Children im November 2024 mit 858 Erwachsenen und 15 Kindern in den Oblasten Sumy, Charkiw, Mykolajiw, Cherson, Dnipropetrowsk, Saporischschja und Donezk.
Zusatzmaterial zum Download:
Foto- und Videomaterial von Yana* (14) und ihrer Großmutter Raisa* (61)
Foto- und Videomaterial von Anna* (9) und ihrer Mutter Olena* (33)
Unter © Save the Children ist das Material honorarfrei auch zur Weitergabe an Dritte nutzbar.
Über Save the Children
Im Nachkriegsjahr 1919 gründete die britische Sozialreformerin und Kinderrechtlerin Eglantyne Jebb Save the Children, um Kinder in Deutschland und Österreich vor dem Hungertod zu retten. Heute ist die inzwischen größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt in rund 120 Ländern tätig. Save the Children setzt sich ein für Kinder in Kriegen, Konflikten und Katastrophen. Für eine Welt, die die Rechte der Kinder achtet, in der alle Kinder gesund und sicher leben sowie frei und selbstbestimmt aufwachsen und lernen können - seit über 100 Jahren.
Pressekontakt:
Save the Children Deutschland e.V.
Pressestelle - Marie-Sophie Schwarzer
Tel.: +49 (0)30 - 27 59 59 79 - 226
Mail: marie.schwarzer@savethechildren.de
Original content of: Save the Children Deutschland e.V., transmitted by news aktuell