Neueste Technologie zur Behandlung chronischer Schmerzen
Als eine der Ersten europaweit: Gießener Neurochirurgie setzt modernsten Neurostimulator bei Patienten ein
Gießen (ots)
Premiere in der Neurochirurgie am Universitätsklinikum in Gießen: Als eine der Ersten europaweit hat Prof. Dr. Malgorzata Kolodziej, Leiterin Schmerztherapie & Neuromodulation, den bislang modernsten Neurostimulator zur Behandlung chronischer Schmerzen bei Patienten implantiert. Es ist das erste Gerät dieser Art, das seine Wirksamkeit kontinuierlich den Bewegungen und Aktivitäten des jeweiligen Patienten anpasst und damit chronische Schmerzen effektiver lindern kann.
Wenn Schmerzen mehr als zwölf Wochen anhalten, spricht man von chronischen Schmerzen. Ursachen gibt es viele, Verletzungen, Operationen, Erkrankungen wie Krebs, Rheuma oder Infektionen. Es gibt aber auch Menschen, die ohne erkennbare Ursache unter chronischen Schmerzen leiden. Laut internationalen Studien gelten in Europa chronische Schmerzen als einer der häufigsten Erkrankungen, für die Menschen medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.
Wenn Medikamente, Physiotherapie und andere Behandlungsangebote keine Linderung bei chronischen Schmerzen bringen, kann die Neurostimulation helfen. Dabei wird ein kleines Gerät (Neurostimulator) unter der Haut eingesetzt und mit dünnen Elektroden verbunden, die entweder in der Nähe des Rückenmarks liegen oder an peripheren Nerven, die außerhalb des Gehirns oder des Rückenmarks verlaufen. Über die Elektroden werden schwache elektrische Impulse an die Nerven im Bereich der chronischen Schmerzen abgegeben. Diese Impulse überlagern die eigentlichen Schmerzsignale und werden in Gehirn stattdessen als angenehmes Kribbeln wahrgenommen. Mit einer Fernbedienung können die Patienten die voreingestellte Stärke der Impulse von außen verändern oder abschalten.
Prof. Malgorzata Kolodziej hat weitreichende Erfahrungen mit dieser Therapieform. Seit 20 Jahren transplantiert sie bereits Neurostimulatoren: "Wir haben hier in der Gießener Neurochirurgie eine breite Palette an Verfahren für die Neurostimulation, so dass wir Patientinnen und Patienten individuell beraten können, was für sie und ihre spezielle Situation am besten funktioniert. Insgesamt zeigt unsere Erfahrung, dass die Neurostimulation den Betroffenen deutliche Schmerzlinderung und ein Plus an Lebensqualität bringen kann. Deshalb war es uns auch wichtig, dass wir als eine der ersten Kliniken nun auch den neuesten Neurostimulator im Einsatz haben, der unseren Patientinnen und Patienten weitere Vorteile bringt."
Im Gegensatz zu anderen Modellen kann dieser Neurostimulator die Stärke seiner elektrischen Impulse automatisch an die Bewegungen und Aktivitäten des Patienten anpassen. Dazu misst er die Schmerzsignale 50 Mal pro Sekunde und nutzt Bewegungssensoren. Rücken die Elektroden beispielsweise beim Sitzen oder Bücken näher an das Rückenmark, werden normalerweise die Impulse verstärkt, vergrößert sich der Abstand wieder, werden sie schwächer. Hier konnte der Patient bislang mit seinem Handsteuergerät von außen gegensteuern. Dies ist nun nicht mehr nötig, da der Neurostimulator solche Bewegungen registriert und entsprechend nachsteuert. "So können wir erstmals sicherstellen, dass sich die Stimulation und damit die Schmerzausschaltung oder Reduzierung 24 Stunden im sogenannten therapeutischen Fenster bewegt. Das heißt, die Patienten bekommen automatisch die optimale Stimulation", erklärt Prof. Kolodziej. Außerdem hat der neue Stimulator eine Batterie-Lebensdauer von mindestens 15 Jahren, bislang musste diese nach zirka neun Jahren ausgetauscht werden. Aufgeladen wird die Batterie per Induktion. Das kann bequem beispielsweise beim Lesen oder Fernsehschauen erfolgen indem das externe Ladegerät von außen mit einem Stretchgürtel auf den Neurostimulator gesetzt wird, der sich unter der Haut am unteren Rücken oder im Bauchraum befindet. Es ist zudem das erste Gerät, das nicht nur für ein Kopf-MRT (Magnetresonanztherapie) sondern auch für eine Ganzkörper-MRT-Untersuchungen unter bestimmten Bedingungen geeignet ist.
Zum Einsatz kommt es bislang für die Rückenmarkstimulation und wirkt gegen chronische Bein- und Rückenschmerzen, nervenbedingte Armschmerzen aber auch bei Neuralgien (Nervenschmerzen), die beispielsweise nach einer Herpes Zoster-Virusinfektion auftreten können.
Der Neurostimulator ist etwa vier mal vier Zentimeter groß (etwas kleiner als ein Teebeutel) und mit nur sechs Millimetern Stärke der derzeit Dünnste weltweit.
Zur Implantation des Stimulators ist nur ein kurzer Krankenhausaufenthalt nötig. Die Operation erfolgt minimalinvasiv mit kleinen Hautschnitten und dauert etwa 20 Minuten.
Sie kann in Vollnarkose aber auch mit örtlicher Betäubung erfolgen. Der Eingriff wird von den Krankenkassen bezahlt.
Seit der Premiere in der Gießener Neurochirurgie im vergangenen November hat Prof. Kolodziej schon fünf Neurostimulatoren der neuesten Generation implantiert: "Die Ergebnisse sind in mehreren Studien wissenschaftlich belegt worden und zeigen eine deutliche Linderung der Schmerzen, Zunahme der Lebensqualität und Unabhängigkeit des Patienten. Die Patienten berichten von einer deutlichen Schmerzreduzierung bis hin zu Schmerzfreiheit und auch die Handhabung ist problemlos. Sie können sich wieder viel aktiver im Alltag bewegen und somit auch deutlich entlasteter am sozialen Leben teilhaben."
Das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) mit seinen 86 Kliniken und Instituten an den beiden Standorten Gießen und Marburg ist das drittgrößte Universitätsklinikum Deutschlands. Seit Februar 2006 trägt die RHÖN-KLINIKUM AG zu 95 Prozent die Verantwortung als Betreiber dieses privatisierten Universitätsklinikums. www.ukgm.de
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